Sylt mal anders

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"Sylt ist ein Gefühl" - dieser Satz prägt die eine Seite der Jugenderinnerungen der Autorin, die das Glück hatte, auf Deutschlands nördlichster Insel mitten in den 80er Jahren aufwachsen zu dürfen.
Sylt ist aber gleichfalls ein Ort wie jeder andere in unserem Land - an dem es gesellschaftliche Probleme gibt, Missstände, Drogen und Menschen, die irgendwie nicht Tritt fassen im Leben.
Die Corona-Pandemie als Aufhänger nutzend taucht die Autorin ein in das Leben ihrer Heimatinsel während des Lockdowns und damit erinnerungsträchtig auch in die Vergangenheit. Mit einer alten Freundin plaudernd treten Begebenheiten von damals an die Oberfläche, die ein ganz anderes Licht werfen auf die Insel, die für viele mit unendlichen Klischees beladen ist, Klischees, die ihnen das Leben für eine kleine Auszeit leichter und entspannter machen.
Die manchmal bittere Realität wird für die Gäste hinter einer polierten Fassade versteckt - der äußere Schein garantiert die fließenden Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft. Das soll und muss so bleiben - nur so können alle überleben.
Das es aber auch die andere Insel gibt, die, die aus Natur, Nordsee, Wind und Wellen besteht, zeigt der Lockdown, in dem die Einheimischen allein sind. Alles Leben scheint irgendwie stillzustehen, der Trubel der Touristenmassen ist verstummt. Es ist Platz auf der Insel. Sie atmet auf.
Das Wetter zeigt sich wie immer gänzlich unbeeindruckt, die Nordsee launig und rau, der Wind zerrend und dazwischen genervte Möwen, die auf ihre Fischbrötchen und Eistüten verzichten müssen.
Susanne Matthiessen versteht es wunderbar, persönliche Erinnerungen mit gesellschaftlichen Problemen zu verknüpfen und ein Sylt-Bild zu zeichnen, das ein klein wenig von seinem Flair verliert und der Realität des Lebens dort einen Platz gibt.
Doch Sylt ist und bleibt ein Gefühl - und daran kann die raue Wirklichkeit des Lebens wenig ändern.