In bester Erzähltradition

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leukam Avatar

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Der österreichische Autor Rudolf Habringer war bisher ein Unbekannter für mich, doch nach der Lektüre dieses Buches werde ich nach weiteren Veröffentlichungen von ihm Ausschau halten. Er versteht es sehr gekonnt, auf wenigen Seiten ganze Schicksale zu entwerfen. Viele der Geschichten hätten das Potential zu einem ganzen Roman.
In den insgesamt zwölf Erzählungen dieses Bandes stehen ganz gewöhnliche Menschen im Zentrum, bei denen oft ein einziger Moment ihre Lage verändern wird. Dabei greift der Autor meist nur einen kurzen Abschnitt aus dem Leben der Protagonisten auf.
Die Themenauswahl ist breit gefächert, der Grundton eher düster, die Figuren selten Sympathieträger . Es geht um Ehebruch und Affären, um Eifersucht und Rache, um Fahrerflucht mit Todesfolge, Erpressung und einen Banküberfall, ja sogar Mord kommt vor. Dabei treffen die Figuren oft fragwürdige Entscheidungen, haben Geheimnisse oder verschweigen etwas. Dem Zufall kommt mehrfach eine entscheidende Rolle zu.
Zwischen manchen Geschichten gibt es leichte Verbindungen, sei es, dass einzelne Figuren in anderen Zusammenhängen auftreten oder dass man auf ein Detail stößt, das man aus einer anderen Geschichte kennt. So entsorgt z.B. ein Protagonist eine Leiche ziemlich skrupellos in einer Grube, auf die ein anderer in einer früheren Geschichte schon gestoßen ist.
Das alles Verbindende aber ist der Schauplatz, jenes „ Hügelland“ an der Donau, auf den im Klappentext hingewiesen wird.
Der Autor verwendet überwiegend die personale Erzählhaltung oder schreibt aus der Ich-Perspektive. Das ermöglicht ihm einen sehr genauen Blick in die Gedanken- und Gefühlswelt seiner Charaktere. Diese erzählen ihre Geschichte Freunden oder Bekannten oder sprechen den Leser direkt an. So fühlte ich mich manchmal unfreiwillig zum Komplizen gemacht.
Wie in jedem Erzählband gibt es auch hier schwächere und stärkere Texte, Geschichten, die mich mehr oder weniger berührt haben. Das offene Ende lässt Raum für die eigene Phantasie; eine Geschichte hat mich schockiert und sprachlos werden lassen. Stoff zum Nachdenken bietet aber jede Erzählung.
Dabei schreibt der Autor in einer klaren und präzisen Sprache, beinahe sachlich. Der unvermittelte Einstieg und der stark verdichtete Text erfordern konzentriertes Lesen, um alle Details aufzunehmen.
„ Diese paar Minuten“ ist ein Band mit lesenswerten Stories in bester Erzähltradition. Sie zeigen Außergewöhnliches im Alltag und nehmen die Auswirkungen und die Reaktionen der Menschen darauf in den Blick .