Ein leiser Aufbruch in ein fragiles Wiedersehen

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Schon auf den ersten Seiten deutet sich an, dass Dius kein klassischer Entwicklungsroman ist, sondern ein literarisches Nachsinnen über Freundschaft, Kunst und die Zerbrechlichkeit menschlicher Bindung. Die Frage was ein Gemälde in uns auslösen kann, was eine Lüge zerstört und wie Erinnerung sich in Landschaften einschreibt, all das beginnt sich hier zu entfalten, wie ein feines Netz aus Bedeutungen.
Die ersten Seiten von Dius lesen sich wie das Öffnen einer Tür hinter der nicht nur ein Mensch steht sondern eine Vergangenheit, die nie ganz abgeschlossen war. Als der Protagonist Anton, Dozent an einer Kunsthochschule, die Tür öffnet und Dius vor ihm steht, der ehemalige Student, der einst mehr war als nur ein Talent, beginnt ein stilles Beben.
Zunächst wirkt Anton wie ein Mann, der sich eingerichtet hat: in seinem Leben, in seiner Rolle und in seiner Distanz. Doch Dius’ Auftauchen bringt Risse in diese Ordnung. Dius selbst bleibt zunächst rätselhaft: gezeichnet, wortkarg, begleitet von einem Mädchen, das ebenso viel Fragen aufwirft wie seine Rückkehr. Die Beziehung zwischen den beiden Männern ist von Anfang an ambivalent: Bewunderung, Enttäuschung, Schuld und Sehnsucht schwingen mit, ohne ausgesprochen zu werden. Hertmans versteht es meisterhaft, diese Spannung nicht zu benennen, sondern spürbar zu machen.
Hertmans schreibt mit einer fast musikalischen Präzision. Jeder Satz trägt Gewicht und jede Beobachtung ist durchzogen von einer melancholischen Klarheit. Die Sprache ist zurückhaltend aber voller Resonanz. Man spürt, dass es hier nicht um Handlung geht sondern um das, was zwischen den Worten liegt. Die Stimmung ist wie ein nordischer Wintermorgen: kühl aber voller Licht. Es ist kein dramatischer Auftakt sondern ein tastender fast zärtlicher Beginn, der den Leser einlädt sich auf das Unsagbare einzulassen.
Die ersten Seiten von Dius sind wie ein vorsichtiger Pinselstrich auf einer Leinwand, die noch leer scheint und doch schon alles in sich trägt. Hertmans lädt nicht zum schnellen Lesen ein sondern zum Verweilen, zum Lauschen und zum Mitfühlen. Wer sich auf diesen stillen Beginn einlässt, spürt: Das Eigentliche liegt nicht im Gesagten. Sondern im Schweigen dazwischen.