unerwartete Freundschaft

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emma23 Avatar

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Ich war sehr gespannt auf Stefan Hertmans’ Roman Dius, weil mich schon das nachdenklich gestaltete Cover und die Leseprobe angesprochen haben. Die Handlung beginnt damit, dass Dius eines Tages unerwartet vor der Tür seines ehemaligen Dozenten Anton steht. Aus dieser zufälligen Begegnung entwickelt sich langsam eine ungewöhnliche Freundschaft, die von stiller Nähe, gemeinsamen Spaziergängen und Kunst geprägt ist.

Beim Lesen merkte ich jedoch schnell, dass der Roman sehr ruhig ist. Das kann faszinierend sein, aber für mich zog sich die Handlung stellenweise zu sehr in die Länge. Besonders die ausführlichen Passagen über Kunst und Philosophie nahmen dem Roman an manchen Stellen das Tempo.

Trotzdem hat mich Hertmans’ Schreibstil beeindruckt. Seine Sprache ist poetisch, bildhaft und voller feiner Beobachtungen. Er schafft es, Landschaften, Licht und Stimmungen so genau zu beschreiben, dass man als Leser fast das Gefühl hat, selbst Teil Antons Welt zu sein. Auch die Darstellung der Beziehung zwischen Dius und Anton fand ich sehr gelungen – sie bleibt immer ein wenig rätselhaft, bewegt sich zwischen Nähe und Distanz, Bewunderung und Abhängigkeit. Hertmans zeigt hier viel Gespür für komplexe zwischenmenschliche Beziehungen.

Weniger überzeugen konnten mich dagegen die Abschnitte, in denen es um Beziehungen zu verschiedenen Frauen geht. Diese wirkten auf mich eher klischeehaft, was schade ist, weil sie im Vergleich zur intensiven Freundschaft zwischen Dius und Anton an Tiefe verlieren.

Insgesamt ist Dius für mich ein sprachlich starkes, aber inhaltlich sehr ruhiges Buch. Es hat sehr viel Durchhaltevermögen gefordert, gerade in dem erste Drittel, belohnt aber mit einem tollen Schreibstil und vielen nachdenklichen Momenten.