Das Leben in und außerhalb der Sperrzone

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magdas_buecherwelt Avatar

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Sehr gern habe ich Die Gutsherrin-Saga der Autorin gelesen. Diese spielt auch während und nach dem 2. Weltkrieg. Auch ihr neuer Roman konnte mich sehr begeistern.
Bad Oeynhausen, Mai 1945, die Stunde Null: Der Krieg ist endlich zu Ende, Deutschland hat kapituliert. Großbritannien, Frankreich, USA und Russland teilen das Land in Besatzungszonen auf.
Anne und Rosalie waren früher beste Freundinnen, doch seit einem Vorfall einige Jahre zuvor haben sie sich nicht wiedergesehen. Annes Vater, ihr Bruder und ihr Verlobter sind gefallen, Rosalies Mutter und Bruder kamen kurz vor Kriegsende bei einem Bombenanschlag auf die Weserhütte ums Leben.
Da Bad Oeynhausen den Krieg unbeschadet überstanden hat, wird es zum Standort für das Hauptquartier der britischen Armee. Um das Kurzentrum, in dessen Mitte das Hotel Margarethenhof liegt, das Annes Eltern gehört hatte, wird ein hoher Stacheldraht gezogen, alle Häuser werden konfisziert, es entsteht eine Sperrzone. Die Einwohner Bad Oeynhausens müssen in eine Barackenstadt ziehen, die am Stadtrand errichtet wird.
Rosalie kommt auf einem Bauernhof unter, Anne zieht mit ihrer Mutter, Schwester, Schwager und deren drei Kindern in eine Baracke. Beide finden Arbeit bei den Besatzern, Rosalie als Bedienung und Anne als Übersetzerin. Beide verlieben sich in einen „Tommy“, Rosalie träumt davon, nach England zu ziehen, während es Annes großer Traum ist, den Hotelbetrieb wiederaufzunehmen.
Eins der Themen im Roman ist die Entnazifizierung. In der Barackenstadt entsteht eine Untergrundorganisation gebildet, die Anschläge und Attentate gegen die Besatzer plant. S. 397: „Auch mit dem Untergang des Dritten Reiches, mit der Kapitulation und der vorübergehenden Machtübernahme der Alliierten Militärregierung in Deutschland war Frieden keine dauerhafte Gewissheit. Nicht die Besatzer sind der größte Feind, sondern die alten Nazis, die alles daransetzen, das Land zurück in seine schwärzeste Zeit zu stoßen.“
Beim Lesen ist mir erneut bewusstgeworden, wie furchtbar schlecht es den Menschen in den Nachkriegsjahren ergangen ist. Die schlechte Ernte nach dem Dürresommer war nicht das einzige Unglück, mit dem die Menschen zu kämpfen hatten. Im Jahrhundertwinter 1945/46 gab es keine Heizmaterialien, viele Menschen sind erfroren. Danach gab es eine Hochwasserkatastrophe, und eines Nachts brannte die Kirche in der Sperrzone, die Feuerwehrwagen kamen nicht durch die Stacheldrahtabsperrung.
Auch wenn ich schon viele historische Romane gelesen habe, die in der Nachkriegszeit spielen, so habe ich doch wieder viel Neues gelernt. Über die Rolle Bad Oeynhausens und die Arbeit der Alliierten in Deutschland habe ich dank der hervorragenden Recherche der Autorin sehr viel erfahren. Der Schreibstil ist authentisch und emotional, wie ich ihn in der Ostpreußen-Trilogie schon kennen- und lieben gelernt habe. Trotz der 520 Seiten habe ich den Roman an wenigen Tagen verschlungen und empfehle ihn sehr gern weiter.