Charakterbildnisse

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Wer Bilder von Oskar Kokoschka kennt, weiß, dass der Maler mit seinen Porträts viel mehr darstellen will als nur das äußere Erscheinungsbild seines Modells. Auch, als er im Jahr 1969 den Auftrag, ein Bildnis Agatha Christies zu ihrem achtzigsten Geburtstag zu malen, annimmt, wendet er seine übliche Arbeitsweise an: Er versucht, sein Modell zum Erzählen zu bewegen, um Minenspiel und Gestik studieren zu können und so etwas von dessen Persönlichkeit bildlich einzufangen. Zu seinem Erstaunen dreht die große Dame der Kriminalliteratur den Spieß zunächst allerdings um. Der 85jährige selbst sieht sich genötigt, eine Rückschau auf sein ereignisreiches Leben preis zu geben, um anschließend Agatha zum Erzählen zu bringen…
Agneta Pleijel gibt ihrem Roman einen festen Rahmen. In sechs Mal-Sitzungen, denen eine Einführung vorangestellt wird und ein Epilog folgt, entsteht nicht nur Kokoschkas Bildnis von Agatha Christie. Gleichzeitig erschafft die Autorin ein literarisches Doppelporträt der zwei alternden Künstler, indem sie beide wechselseitig bedeutsame Ereignisse, die ihr Leben stark beeinflussten, schildern lässt. Ihr knapper Schreibstil und die kurzen Sätze entsprechen den skizzenhaften Ausschnitten aus den jeweiligen Lebensläufen; manches wird nur angerissen, anderes etwas näher ausgeführt. Eine wissenschaftliche Biografie ist hier nicht gewollt, nur ein kleiner Einblick in zwei Persönlichkeiten, ein subjektives „Doppelporträt".