Ein eigenwilliges Porträt

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Von

Autorin
Autorin Agneta Pleijel

Inhalt
Wer weiß schon, dass unweit der King`s Road im Swan Court Manison die Königin des Kriminalromans, Agatha Christie, ihre Londoner Wohnung hatte. Die King`s Road und die Barnaby Street waren am Ende der 1960 Jahre im „Swinging London“ die Flaniermeilen. Minis und Miniröcke, die Beatles, die Stones, kreischende Mädchen, Pop Art und Op Art, Schwarzweißfotos von David Bailey beherrschen die Szene.

An diesem Ort wird sie im Frühjahr 1969 vom österreichischen Maler Oskar Kokoschka porträtiert, der für eine Retrospektive in der Galerie Marlborough Fine Art gerade in London weilt.

„London 1969, im Monat April. Dauerregen. Wolfgang Fischer lauscht dem Gemurmel seiner letzten Besucher in der Galerie Marlborough Fine Art. Dort zeigt man eine Retrospektive des betagten österreichischen Malers Oskar Kokoschka.“ (S. 7)

Ein junger Mann betritt eine angesagte Londoner Kunstgalerie und fragt den Galeristen, ob er mit dem Künstler Oskar Kokoschka Kontakt aufnehmen könne. Der junge Mann ist der Enkel Matthew
von Agatha Christie und möchte, dass Kokoschka ein in Porträt seiner Großmutter zu ihrem 80. Geburtstag malt.
Agatha ist nicht begeistert von dieser Idee, aber trotzdem willigt sie ein. Ebenso Kokoschka stimmt nur widerstrebend zu.
Während der sechs Sitzungen erzählen sie sich gegenseitig Geschichten aus ihrer Vergangenheit.

Sprache und Stil

„Er will mindestens sechs Sitzungen haben, keinesfalls aber mehr.“ (S. 32)

Der Roman ist genau in sechs Kapitel, die der Anzahl der Sitzungen gleicht, aufgebaut, umrahmt von einem Kapitel „Aufwärmen“ und endet mit „Vernissage und kurzer Epilog“.

In jeder einzelnen Sitzung nähern sich Christie und Kokoschka langsam an. Jede Sitzung dringt mehr und mehr in die Welt beider Menschen vor. Zunächst ist es Kokoschka, der aus seinem Leben erzählt. Agatha hält sich zunächst zurück, sie redet nicht gern. Das Schreiben in der Zurückgezogenheit liegt ihr mehr.

Zu Oskars Malutensilien gehört eine Flasche Whisky dazu.

„Kokoschka zündet sich eine Zigarette an. Er streckt ihr das Whiskyglas hin. Sie schüttelt den Kopf. Sie hat nie gelernt, Whisky zu trinken, obwohl sie es versucht hat. Ihr ist es auch nie gelungen, rauchen zu lernen.“ (S. 45)

Oskar Kokoschka erzählt von Alma Mahler, sein Liebesdrama, das einen bereiten Raum in seinem Leben einnimmt. Er erzählt von Kindheit und Krieg und lässt nicht locker, bis auch Agatha anfängt zu erzählen.

Noch immer erscheint Agatha reserviert ihm gegenüber zu sein, doch längst ist sie fasziniert von seiner Erzählungen, und auch sie gibt ihr Innerstes preis.

Beide verbinden absurde und bizarre Lebensdetails.

Alma Mahler war eine Femme fatale des 20. Jahrhunderts, eine Muse viele berühmter Männer. Sie war verheiratet mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius und dem Dichter Franz Werfel. Sie stürzt sich in zahlreiche Affären wie zum Beispiel mit dem Maler Gustav Klimt. Als Kokoschka sie kennenlernt, ist er ihr sofort nach der ersten Begegnung verfallen. Die Beziehung hält drei Jahre in einem immer währenden Kampf.

„Die Sehnsucht nach Alma war zerrüttend.“ (S. 122)

Er gab den Auftrag an die Münchnerin Hermine Moos mit exakten Maßen und Beschreibungen von Alma. Doch als die Puppe von Hermine Moos nach Dresden geliefert wurde, entsprach diese nicht seinen Vorstellungen, besonders nicht seinen erotischen Ansprüchen. Das obskure Ersatzobjekt wurde zunächst ein Fetisch. Erst nachdem er sie vielfach gemalt und gezeichnet hat, macht Kokoschka mit der Alma Puppe Schluss. Er trennt ihren Kopf ab und schmeißt sie in ein Blumenbeet.

In der sechsten Sitzung schildert Agatha ihr bizarres Lebensdetail.

„Als ihre Leiche nicht gefunden wurde, begann das Fabrizieren von Informationen.“ (S. 192)

Im Dezember 1926 plötzlich verschwand Agatha Christie spurlos. Nach elf Tagen tauchte sie wieder auf. Agatha Christie äußerte sich nie über die wahren Gründe für ihr Verschwinden. In der 1977 erschienenen Autobiografie schrieb sie nur: "Wenn man den Blick zurück wendet, hat man das Recht, Erinnerungen, die einem zuwider sind, zu ignorieren." Und fügte an: "Oder ist das feige?"

Die letzte Sitzung endet, zurück bleiben skizzenhafte Ausschnitte beider Lebensläufe.

„Wir sind es, die Dinge auf der Welt miteinander verknüpfen. Wir haben einander ein paar Ereignisse aus unserem Leben erzählt, das war wichtig. Herzlichen Dank für ihre Zusammenarbeit.“ (S. 207)

Fazit

Pleijels Gespräche zwischen Christie und Kokoschka sind erfunden. Trotzdem wirkt die Geschichte natürlich und authentisch. So könnte es gewesen sein.
Hat Agatha ihr Porträt je gesehen?

„Agatha! Hast du es dir immer noch nicht angeschaut?“ (S. 211)

Bis zum Tod von Agatha Christie bleiben beide in Kontakt.