Düsterer als die Aufmachung vermuten lässt

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annajo Avatar

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Nach der Trennung von ihrem Mann und dem Tod ihrer Mutter zieht Sadie mit ihrer Tochter Betty von Sydney nach Tasmanien in die kleine (fiktive) Stadt Pencubitt. Dort hat sie das Haus der Familie geerbt, das seinem Namen Poet's Cottage alle Ehre macht. Denn nicht nur Sadie ist Journalistin und möchte demnächst ein Buch über ihre Großmutter schreiben, sondern auch ihre Großmutter Pearl war Autorin (von Kinderbücher). Doch Pearl fand 1936 ein schreckliches Ende und wurde im Keller dieses Hauses brutal getötet. Sadie möchte nun endlich das Geheimnis um den Täter lüften.

Eigentlich ist die Aufmachung des Buches recht schön - wenn auch ziemlich kitschig. Aber sie passt nicht so recht zum Inhalt des Buches, denn der ist eher etwas düster mit leichten Gruselelementen. Immer wieder ist die Rede von Spuk, Sadie hat Gedanken, die nicht von ihr stammen und es erscheint immer wieder eine mysteriöse Frau. Auch die ehemals beste Freundin von Pearl, Birdie, ist Autorin und hat ein Buch über Pearl geschrieben. Das ursprüngliche Manuskript stellt sie Sadie zur Verfügung, mit Hilfe dessen der Leser zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit abwechselnd hin und her springt und so eine wahrlich exzentrische Frau kennenlernt, die sich jede Menge Feinde gemacht hat mit ihrem Lebensstil einer Femme Fatale, in den sie auch die Jungerwachsenen von Pencubitt hineinzieht. Auch dem Leser ist Pearl wenig sympathisch, wenn sie ihre sogenannten Freunde beleidigt und verletzt, und besonders, wenn sie ihre Töchter psychisch misshandelt. Es wird bald klar, dass viele Leute ein Motiv gehabt hätten. Und bis kurz vor dem Ende ist dieses nicht vorhersehbar. Dafür fiel es mir dann aber etwas kurz und überraschend aus, auch wenn ich dieses Ende im Nachhinein die bestmögliche Lösung fand.
Der Handlungsort vermittelt der Geschichte zusätzlich die nötige Atmosphäre und gleichzeitig durch die Nähe zum und die Rolle des Meeres etwas "Exotik", auch wenn mich die entgegengesetzten Jahreszeiten etwas aus dem Konzept gebracht haben.
Durch die Erzählung des 30er-Jahre-Strangs aus Birdies Sicht erfährt der Leser auch "hautnah" etwas über die sehr einschränkenden Lebensbedingungen für junge Frauen zu der Zeit und die Reaktion auf Pearls diverse Skandale, sodass man ihr extremes Verhalten durchaus als Rebellion verstehen kann. Birdie selbst bleibt kaum Luft zum Atmen, wenn sie sich immer an die gesellschaftlichen Konventionen halten will.

Ich fand dieses Buch durchaus gelungen und konnte es nur selten aus der Hand legen. Wobei natürlich etwas unrealistisch ist, dass ein Mord 70 Jahre darauf wartet, von einer Journalistin und Verwandten des Opfers aufgeklärt zu werden. Aber Atmosphäre und vor allem die Charaktere aus den 30er Jahren konnten mch gut fesseln. Besonders Pearls Charakter war gut gezeichnet. Ich hätte mir hier nur noch mehr Tiefe und Auseinandersetzung mit ihren (psychischen) Problemen gewünscht. Und die gegenwärtigen Charaktere mussten sich mit realistischen alltäglichen Problemen herumschlagen, die am Rande auch noch thematisiert wurden, wie beispielsweise Bettys Essstörung. Für mich hebt sich dieses Buch vor allem durch die düsteren Anteile von vielen der anderen Romanen um Familiengeheimnisse ab.