Geheimdienst-Persiflage mit wenig Oxford-Atmosphäre

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Sarah Trafford/Tucker ist als Nur-Hausfrau für Bewirtung und Wohlergehen potentieller Geschäftspartner ihres Mannes Mark zuständig. Da Mark seine bessere Hälfte stets herablassend behandelt, provoziert Sarah offenbar ausgerechnet mit der Einladung ihrer exzentrischen Freundin Wigwam samt Ehemann, der den grün eingestellten Proletarier mimt, als Gegenpart zum wichtigen Investor Gerard und seiner Ehefrau, deren Name Sarah dauernd entfällt. Gäste und Gastgeber haben an diesem Abend Logenplätze, als in Sichtweite der Tucker-Wohnung ein Haus durch eine Gasexplosion zerlegt wird. Obwohl dort nur die alleinlebende Maddie Singleton mit ihrer kleinen Tochter Dinah lebte, werden zwei erwachsene Tote aus dem Haus getragen. Sarah, die von Mark u. a. Männern penetrant ermahnt wird, dass sie nicht arbeitet und keine Kinder hat, entwickelt eine Obsession für das verschwundene Mädchen, das ja irgendjemand in seiner Obhut haben muss. In der Folge nimmt Sarah auf der Suche nach Dinah Kontakt zur Detektei Joe Silverman & Zoë Böhm auf und gerät in eine groteske Verschwörung des britischen Geheimdiensts.

Zoë Böhm ermittelt in diesem Einstiegsband kaum, sie und Sarah treffen zusammen und erleben ein gemeinsames Abenteuer, das Versager und ihre Fails in den „Diensten“ bloßstellt. Ein kurzer Prolog führt in ein Kriegsszenario in einem Wüstenstaat, in dem offenbar Kindersoldaten eingesetzt werden. Die Szene könnte darauf vorbereiten, dass Frauen wie Sarah (die als simples Gemüt dargestellt wird) sich aus dem Dunstkreis der britischen „Dienste“ besser heraushalten sollten. Auf gefühlt hunderten von Seiten wird Sarahs Hausfrauenrolle ausgewalzt, indem von Mark im Jahr 2003 Einstellungen vertreten werden, die in den 1980ern schon als veraltet galten. Wenn die „Dienste“ auf diesem Niveau operieren sollten, dann Gutenacht. Interessanter hätte ich die Frage gefunden, welche Berufstätigkeit Sarah anstrebt und ob ihre Einstellung zu eigenen Kindern endgültig feststeht. Insgesamt fand ich die Rollen von Sarah und Zoë schwach und hoffe, dass Mick Herron inzwischen auch Frauenfiguren beherrscht. Dass Anfang des Jahrtausends Fahrkarten noch am Schalter gekauft und Bahnangestellte dazu als Zeugen vernommen werden können, wirkt ebenso charmant antiquiert wie das Entfalten einer großen Landkarte aus Papier. Der (Original-)Titel „Down Cemetery Road“ bezieht sich auf das Schlusskapitel.

Fazit
Die Sara Tucker-Serie erschien ab 2003, so dass man sie als Schärfen der schriftstellerischen Schreibfeder für die folgende Serie „Slow Horses“ einordnen könnte. Nach einem belanglosen Einstieg und einem personenreichen Mittelteil nimmt zum Ende der zynische Humor zu, mit dem Herron den britischen Geheimdienst aufs Korn nimmt. Die Vermarktung mit „Zoë Böhm ermittelt“ finde ich irreführend, davon erwarte ich eine weibliche Ermittlerin in der Hauptrolle.

3 1/2 Sterne
Serien-Info: Band 1 von 4