Spannend, aber…

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sternchenblau Avatar

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Die Meinungen zu „Draussen“ sind ja sehr gespalten. Ich wollte mir selbst eine Meinung bilden, aber ich glaube, das hätte ich mir sparen können.

Die Kluftinger-Krimis von Klüpfel und Kobr mochte ich sehr gerne und habe einige, wenn auch nicht alle, gelesen. Und auch ihren Retro-Roman „In der ersten Reihe sieht man Meer“ fand ich ganz amüsant. Daher war ich einfach zu neugierig, was die beiden Autoren aus ihrem ersten Thriller-Stoff machen. Aber leider haben Klüpfel und Kobr viel zu viel in „Draussen“ hineinpacken wollen: Prepper-Szene, Jugendliche auf Überlebenstour, Politik-Filz, Lobby-Typen, Fremdenlegion, Reichsbürger, Blackout und dann noch ein Gefängnisausbruch. Thematisch passt das ja auch alles irgendwie zusammen, leider blieb es für mich bei diesem Irgendwie.

Am Ende des Buchs findet sich ein Interview mit den beiden Autoren, in der Klüpfel von den Preppern ans „wahnsinnig interessante Parallelwelt“ spricht. Aber warum sind sie denn nicht mehr in dieser Szene geblieben statt alles mögliche mit reinzumischen?

Die beiden experimentieren durchaus mit harten Szenen, die ich von diesem Aspekt her sogar recht gelungen fand. Aber manchmal schlug in den Beschreibungen dann auch das Betuliche durch, das bei Kluftinger klasse passt, aber hier im Thriller nur nervte. Da kommt sogar mal eine „Backpfeife“ vor. Manchmal nervten mich auch die billigen Tricks, wenn die beteiligten Figuren etwas sehen, wir aber als Lesende mit einem müden Cliffhanger am Absatz abgespeichert werden.

„Draussen“ hat mich jetzt nicht gelangweilt, was bei einem Thriller ja durchaus ein wichtiger Punkt ist. Aber vieles war halt recht inkonsequent. Das fängt schon damit an, dass es am Anfang ein Survival-Camp für Mittelstands-Prepper gibt und man denen erstmal Chemtrails erklären muss. Wer bitte kennt diese Verschwörungstheorie nicht? Dafür, dass viele der Protagonist:innen ja angeblich auch so gut ausgebildet sind, stehen sie dann stellenweise ganz schön auf dem Schlauch. Der eine ist Strippenzieher und natürlich bekommen fast alle Politiker:innen entweder nicht mit, was er da abzieht, oder werden erpresst. Ich denke, so kurzsichtig ist die Politik dann doch nicht. Ein Ortungssignal ist plötzlich weg und die super-ausgebildeten Typen haben keine Ahnung, warum das so sein könnte. Eine Ärztin wird als Protagonistin recht prominent eingeführt, spielt dann aber keine Rolle mehr. Und die Erklärung, warum dieses ganze Versteckspiel überhaupt nötig ist, ist für mich auch ziemlich an den Haaren herbeigezogen. (Ich könnte das jetzt auch begründen, aber damit würde ich ziemlich spoilern.) Und dann wurde mir am Ende nicht wirklich aufgelöst, wie das auslösende Moment eigentlich zustande kam.

Alles in allem wäre ich dann bei einem mittelmäßigem Thriller und 3 Sternen. Dass dann sogar noch ein Gefängnisausbruch im Blackout stattfindet, war mir dann endgültig zu viel des Guten. Und was mich vor allem gestört hat, war, dass die Autoren leider nicht gut zwischen der rassistischen Einstellung von manchen Figuren zur Haltung des Buches unterscheiden. Da gibt es u.a. unnötigerweise das N-Wort und auch misogyne Beleidigungen, aber richtig schlimm ist es bei der Schilderung der vietnamesischen Figur Chu, bei der Stereotype und Beleidigungen am laufenden Band reproduziert werden. Mir ist schon klar, dass das nicht so gemeint ist – immerhin haben sie eine BWoC als Hauptprotagonistin. Aber gerade in Hinblick auf ein Bestseller-Publikum wäre da schon eine differenziertere Schilderung wichtig. So kommt man letztendlich auch an die 17jährige Cheyenne nicht wirklich heran, ihre Probleme sind zwar nachvollziehbar, aber ich kam emotional nicht an sie heran. Hier wäre ein differenzierter, weiblicher Blick auf toxische Männlichkeit möglich gewesen, aber leider verschenkt.

Fazit
Spannend, aber… Daher vergebe ich 2,5 von 5 Sternen und runde ab.