Spannende Unterhaltung mit kleinen Ungereimtheiten

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laberladen Avatar

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Darum geht's:

Die Teenager Cayenne und ihr Bruder Joshua leben schon seit Jahren im Wald, trainieren Kampftechniken und halten sich von anderen Menschen fern. Nur Stephan ist da, der auf sie aufpasst und sie unterrichtet. Sie vertrauen Stephan, auch wenn sie nicht wirklich wissen, wieso sie sich verstecken und immer wieder den Standort wechseln müssen. Sie halten Stephans Paranoia und Vorsichtsmaßnahmen für überflüssig - bis eines Tages ein Angriff erfolgt und sie alles brauchen, was sie gelernt haben.

So fand ich's:

Ich bin ein Fan der Kluftinger-Romane von Klüpfel und Kobr. Gerade die besondere Atmosphäre auf dem ländlich-familiären Kommissariat im Allgäu und der große Anteil an urigem und skurrilem Privatleben hat mir immer großen Spaß gemacht. Bei einem waschechten Thriller möchte ich das aber absolut nicht lesen. Deshalb war ich sehr gespannt, ob das Autorengespann es auch drauf hat, spannenden Thrill zu schreiben und auch ohne Lokalkolorit zu überzeugen. Mein Urteil dazu ist: jein.

Ich fand nichts von Kluftingers Gemütlichkeit in "Draussen", sondern einen routiniert erzählten, spannenden Thriller, der mein Interesse die ganze Zeit halten konnte. Die Einblicke in die Prepper- und Survival-Szene waren interessant und auch wie sich die Truppe aus Cayenne, Joshua und Stefan unter dem Radar durchschlägt und dabei auch mit zwischenmenschlichen Problemen kämpft, empfand ich gut nachvollziehbar und realistisch. Über der ganzen Handlung liegt die Frage, wieso die drei sich verstecken müssen. Das erfahren wir erst nach und nach und so bleibt viel Raum für Spekulationen.

Allerdings hatte ich mit der Auflösung so meine Problemchen, denn ich fand sie für meinen Geschmack zu oberflächlich und schnell abgehandelt. Bei mir sind einige Dinge unklar geblieben, die ich gerne noch erläutert gehabt hätte. Die Lösung an sich ist einfach, aber es gibt da einige Dinge, die in meinem Kopf nicht so leicht zusammengehen, wie die Autoren das dargestellt haben. Und das hat meinen Lesegenuss ein bisschen getrübt.

Wer nicht wissen will, was für mich nicht ganz passte und damit gespoilert wird, was das Ende des Buches angeht, bitte erst nach ************** weiterlesen.

-> die Kinder haben nicht mitbekommen, wer ihre Eltern ermordet hat. Dann konnten sie wenige Sekunden lang einen schnellen Blick auf eine Massenmord-Szenerie ihrer Nachbarn im Dorf werfen, als Kinder, völlig geschockt, bevor sie weggelaufen sind. Und da sollten sie mehrere Soldaten in identischen Uniformen Jahre später identifizieren können? Ich würde diese "Zeugenaussage" der Kinder als relativ wertlos einordnen.

-> Ich frage mich, wieso Stephan von den gekauften Kameraden überhaupt mitgenommen worden war, obwohl ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit bewusst war, dass er sich nie ihren Verbrechen anschließen würde. Man hat ihn mit einer "Fake-Geschichte" von Drogenhändlern gefüttert, die er nur so lange glaubt, bis er sich näher im Dorf umgesehen hatte. Und das war absehbar. Wieso ließ man ihn nicht weit entfernt Wache schieben oder hat ihn gleich im Camp gelassen? Und wenn man ihn loswerden wollte, dann hätte man ihn auch auf dem Weg zum Dorf gleich sauber mit einem gezielten Schuss töten können, statt zu hoffen, dass er beim Überfall auf das Dorf ums Leben kommt.

-> und wieso war Jürgen ausgerechnet eine der Schlüsselfiguren beim Stromausfall und was hatte das mit der Cheyenne-Handlung zu tun? Zufall? Ich fand das ziemlich unwahrscheinlich, dass Jürgen ausgerechnet in beiden Handlungssträngen eine entscheidende Rolle spielte und eigentlich war das gar nicht nötig. Es wäre auch spannend und viel realitätsnäher gewesen, wenn der Stromausfall sich wie beschrieben auf die "Waldbewohner" und die Verfolgertruppe auswirkt, aber eine andere Strom-Schlüsselfigur erzählt. Über diese extrem zufällige "Doppelrolle" Jürgens musste ich den Kopf schütteln, weil es auf mich viel zu konstruiert wirkte.

**************

Unterm Strich war ich angetan von den Thriller-Qualitäten der beiden Autoren. Das Buch ist solide und routiniert geschrieben, zwar ohne den besonderen Kick, der ein Buch in meinen Augen zu einem Highlight macht, aber doch auf jeden Fall lesenswert. Wenn die beiden sich auch in Zukunft im Thriller-Genre tummeln, dürfen sich mich zu ihren Lesern zählen!