Eine Liebes-Biografie

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karschtl Avatar

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David Nicholls lässt in seinem neuesten Roman nicht einfach nur "drei auf Reisen" gehen, sondern erzählt gleichzeitig die gesamte Liebes- und Familiengeschichte von Douglas, Connie und Albie Petersen. All die schönen Momente und natürlich auch all die traurigen. Besonders beeindruckt war ich von der Schilderung der Beziehung zwischen Douglas und seinem Sohn Albie. Wie sehr Douglas (der Ich-Erzähler) sich bemühte, eine tolle Vater-Sohn-Beziehung aufzubauen, und wie er doch immer wieder scheiterte. Sowohl durch aktives Zutun seinerseits als auch einfach durch den Charakter seines Sohnes, der schon immer ein Mama-Kind war und es auch blieb.
Ich habe schon sehr mitgefühlt mit Douglas, gehofft mit ihm in seinem Kampf um Ehefrau und auch Kind. Denn er ist ein grundgütiger Mann, der seine Familie wirklich liebt. Man gönnt ihm wirklich, dass seine Mission erfolgreich sein wird. Auch wenn ich mich selbst nicht direkt mit Doug identifizieren kann (dazu sind Alter, Lebensumstände und Geschlecht zu verschieden), so konnte ich mich doch recht gut in seine Lage hineinversetzen. Wer möchte in der Lage schon noch einmal ganz neu anfangen, ganz allein sein? Am ehesten/häufigsten sind's dann noch die Männer, die in der Midlife-Crisis sich auf die Suche nach einer (meist) jüngeren Frau machen und nochmal neu durchstarten, sei es nur mit einer Affäre oder gleich mit dem vollen Programm.
Aber Doug war in der bestehenden Situation gar nicht unglücklich, wollte gar nicht "neu anfangen". Er fand es gut so wie es war. Er hat gar nicht gemerkt, dass Connie das schon seit Längerem nicht so sah, dass ihr in ihrer Beziehung etwas fehlte, dass sie nicht mehr zufrieden war.

Stilistisch ist der Roman toll aufgebaut. Die Europa-Tour der Familie Petersen wird parallel zur Kennenlerngeschichte von Doug und Connie erzählt, wobei er es immer wieder schafft, ideale Übergangspunkte zu schaffen. Da merkt man, dass Nicholls auch als Drehbuchautor tätig ist, wo solche Szenenanschlüsse noch viel perfekter funktionieren müssen als im Buch.

Sehr toll ist es auch, so nebenbei einen kleinen Europa-Rundgang zu erhalten, wo was sehenswert ist. Wobei sich Nicholls hier wirklich auf die allgemein bekannten Dinge beschränkt und keine Geheimtipps preisgibt. Wahrscheinlich wäre sonst der Rechercheaufwand zu hoch gewesen, d.h. er hätte selbst eine solche "Grande Tour" absolvieren müssen bevor er das Buch hätte schreiben können.

Fazit: Es handelt sich hier zwar eher um ein 'langsames, leises' Buch ohne große Highlights. Aber dafür ist quasi das ganze Buch ein Highlight und ein Genuss zu Lesen.