Vergeigte Reise

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hurmelchen Avatar

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Mag ja sein, daß ich nicht der Zielgruppe von David Nicholls neuem Roman "Drei auf Reisen" angehöre -doch halt, ich habe ebenfalls eine 20jährige Beziehung und mein Sohn war auch mal schwer pubertär - aber dieser Roman ist leider nichts für mich!
Oder Neu -Deutsch:" Der Roman holt mich nicht ab(...blöde Floskel)!

Die Geschichte des Biochemikers Douglas, dessen Frau Connie sich nach 20 Ehejahren trennen will, und dessen Sohn Albie pubertär rebelliert und sich von Douglas entfernt hat, ist ziemlich banal.

Stellenweise hatte ich das Gefühl, der Roman sei von europäischen Reiseveranstaltern gesponsert, denn trotz der bevorstehenden Trennung macht die Familie noch einmal eine gemeinsame Reise durch ein paar hübsche europäische Länder ( die Grand Tour), bei der Douglas hofft, seine Ehe und die Beziehung zu seinem Sohn zu retten. So baut Nicholls die Beschreibung der kulturellen Höhepunkte gleich mit ein. Okay, soweit ganz nett!

Was ich Nicholls jedoch richtig übelnehme, ist die abgeschmackte, klischeehafte Charakterisierung seiner Protagonisten.
Douglas ist der ewige Trottel und Connie die toughe Künstlerin, die immer irrsinnig viel Verständnis für ihren pubertär-nervigen Sohn hat. Tiefer dringt man in die Psyche der Personen nicht ein. Warum Connie Douglas überhaupt geheiratet hat, wo sie doch so gar nicht zusammenpassen, bleibt schleierhaft (na ja, der Sex war offenbar gut...).
Auf der Reise erinnert sich Douglas an die Anfänge mit Connie (toll, schon wieder ein Roman mit Parallelhandlung...).

Unfassbar, dass dieser zwar umfangreiche, aber dürftige Roman auf der Longlist des Man Booker Prize stand.Das ist in meinen Augen so, als wäre Paolo Coelho ein Noblpreiskandidat!

Meine Theorie zu diesem Buch ist Folgende:
David Nicholls, der ja auch ein erfolgreicher Drehbuchautor ist, hat diesen Roman einzig und allein im Hinblick auf die Verfilmung geschrieben.
Das wird dann wieder so ein "feel-good-movie", mit dem man die Kuh nochmal melken kann. Zudem kommt man bei den Dreharbeiten in all die schönen Städte! Vielleicht springt auch ein Oscar für das Beste adaptierte Drehbuch heraus! Und eine wirklich infantil-hanebüchenen Szene, wie die, in welcher Douglas sich während eines asiatischen Mahles an der heißen, scharfen Suppe verletzt, ist wie gemacht für Hugh Grant!
Wäre das nicht alles toll?

So möchte ich dem geneigten Leser lieber Stewart O'Nans Roman "Die Chance" ans Herz legen, wenn auch der kein ganz großer Wurf ist, aber immerhin geht es ebenfalls um das Scheitern einer Ehe und den Versuch, diese zu retten. Im Gegensatz zu Nicholls oberflächlichem Herangehen, ist O'Nan eine erwachsene Sicht der Dinge gelungen.