Wenn einer eine Reise tut...

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marapaya Avatar

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Diese herzlose Frau! Lebt 25 Jahre an Douglas' Seite und verkündet ihm schließlich ohne Vorwarnung, dass sie ihn wohl bald verlassen wird. Aber erst wird noch der Ferienplan umgesetzt und dem gemeinsamen Sohn das kulturelle Europa als „Grand Tour“ gezeigt. Eine herzlose Frau. Mein Mitgefühl ist Douglas sicher. Ich mag ihn als Erzähler, er ist so gar nicht eingenommen von sich als Person und schildert seine Liebe zu Connie in humorigen liebevollen Anekdoten ihres Kennenlernens. Connie ist die Coole, die Kunstkennerin, die mit den vielen Freunden, wilden Partys und dem trockenen Humor. Douglas ist nach eigener Aussage langweilig, Wissenschaftler, Biochemiker um genau zu sein, der ohne Freunde und nennenswertes Sozialleben, der ohne Ahnung von Kunst und Kultur. Warum sich Connie in ihn verliebt, ist ihm ein Rätsel. Warum sie sich nun nach 25 gemeinsamen Jahren trennen will, bestätigt und schockiert ihn zugleich und er setzt seine ganze Hoffnung auf die gemeinsame Familienreise. Wenn er sich am Riemen reißt und mehr so ist, wie sein Sohn Albie und seine Frau es sich wünschen, dann kann vielleicht doch noch alles gut werden. Bereits im Zug nach Paris schwant Douglas, dass das wohl nicht so einfach sein wird und in Amsterdam setzt sich Albie nach einem kleinen unangenehmen Zwischenfall schließlich ab, um vor allem ohne seinen Vater Europa zu erleben. Connie bricht den Urlaub ab und kehrt nach England zurück, doch Douglas will seine Familie retten und setzt sich auf Albies Fährte. Während sich Douglas in Venedig auf seiner Suche die Füße wund läuft, weiht er den Leser immer genauer in die Geschichte seiner Beziehung zu Connie ein. Und plötzlich verändert sich der Blickwinkel. Je mehr beide Geschichten, die vergangene und die gegenwärtige, vorankommen, desto komplexer wird das Bild von Douglas und auch Connie. Ist sie tatsächlich die herzlose Frau?
Drei auf Reisen ist ein unterhaltsamer Roman – witzig, ironisch, gefühlvoll und mit einem Hang zur Kitschigkeit wie zum Klischee. Die Lektüre kann auch anstrengen, ist melancholisch, traurig und ein bisschen bitter. Douglas ist eine spannende Figur voller Stärken und vieler Schwächen, und die Art wie David Nicholls ihn über sich erzählen lässt, berührt ohne Zweifel. Die Familienszenen aus Douglas Perspektive haben mich beeindruckt, erschreckt und am meisten überzeugt. Douglas ist ein trauriger Held, gefangen in seinen Ängsten und Wünschen, unfähig ganz er selbst zu sein. Fast scheint es, als wüsste er gar nicht, wer er eigentlich wirklich ist. Seine Wunschvorstellungen von sich und seiner Familie sind in jedem Fall fern jeder Realität. Ist er auf sich allein gestellt, gehen seine Gedanken und Träume ins Rosarote, Unwirkliche; die daraus resultierende Handlung kommt dann leicht übertrieben, aufgesetzt und unglaubwürdig daher. Emotionale Intelligenz, die Fähigkeit der Selbstreflexion und verbale Stärke fehlen seiner Hauptfigur an einigen entscheidenden Punkten in seinem Leben und Nicholls verschont uns Leser nicht mit den Folgen dieser Risse, die schließlich in Douglas Lebensmitte für ihn zu bedrohenden Bruchstellen werden. Verpackt in witzige Unterhaltung enthüllt Nicholls die Untiefen von Beziehung und Familie.