Beschaulicher Roman über ein Pralinengeschäft und seine Nachbarschaft im Berlin der 1930er Jahre. Hat mir gut gefallen!

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kleinervampir Avatar

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Buchinhalt:

Berlin, 1936: Unter den Linden ist die erste Adresse für feinste Pralinen, denn dort befindet sich die Konfiserie Sawade. Die junge Elfie ist Prokuristin des Geschäfts, die gute Seele des Hauses – und eins mit den edlen Düften nach Kakao, Marzipan und feinem Trüffel. Von der alte Madame Conte, die im ersten Stock wohnt, erfährt Elfie nach und nach die Geschichte hinter dem wohl berühmtesten Produkt des Ladens – und der Erinnerung an eine verbotene Liebe....


Persönlicher Eindruck:

In nur drei Tagen im August 1936 spielt sich die Handlung dieses feinen, unaufgeregten, teilweise melancholischen Romans ab, dessen Schauplatz Berlins berühmteste Allee bildet: Unter den Linden. Mittelpunkt des Geschehens: die Pralinenmanufaktur Sawade, ein Betrieb, gegründet 1880 und bestehend bis heute, Insofern ist der Schauplatz dieses feinen, sinnlichen Romans real existent und das Buch eine Hommage an feine Trüffel, handgemachte Spezialitäten und all die Menschen, die damals wie heute edle Aromen und feinste Genüsse dort unter die Leute brachten und immer noch bringen.

Es geht um die unmittelbare Nachbarschaft des Sawade. Den Buchladen des jüdischen Buchhändlers Franz Marcus, um das ehrwürdige Hotel Adlon, Issa Hamadis Jazzeller oder auch um ein Berliner Original, wie den Drehorgelspieler Spree-Willi, der zum Zeitpunkt der Handlung aber bereits verstorben ist.

Hauptfigur ist zweifelsfrei Elfie, die Prokuristin der Chocolaterie, eine nicht mehr ganz so junge Frau mit Ecken und Kanten. Sie erscheint dem Leser durchaus spleenig, teilweise auch schwermütig und mit offensichtlich autistischen Zügen. Dennoch findet man schnell einen Draht zu ihr – sie ist es, die die einzelnen Fäden der anderen Figuren zusammenhält. Neben ihr stehen auch der jüdische Buchhändler Franz sowie Elfies Mitarbeiterin Trude im Vordergrund.

Über alledem thront mehr oder minder in der Bel Etage der Geschichte die alte Madame Conte, die letztendlich mit ihrer Lebensgeschichte den Bogen spannt von der Vergangenheit der Manufaktur hin zur Gegenwart: ihre Geschichte fand ich sehr bewegend und ihre Erzählungen geben dem Leser direkt die Möglichkeit, in das 19. Jahrhundert zurückzureisen und den Wandel hin zum Neuen hautnah mitzuerleben.

Der Roman spielt zur Zeit des Nationalsozialismus, diese dunkle Zeit deutscher Geschichte wird deutlich am Schicksal von Franz, dem Buchhändler und Nachbarn des Pralinengeschäfts. Dennoch empfand ich die geschichtlichen Einstreuungen doch sehr minimalistisch. So wirklich kommt bei der Lektüre die Brisanz der damaligen Zeit nicht rüber, auch wenn der Buchhändler letztendlich nach England emigriert, was durch Prolog und Epilog den Rahmen für die Geschichte bildet.

Zwischen einzelnen Kapiteln des Romans kommen in philosophischer Art und Weise auch die Linden der berühmten Allee zu Wort, die über die Geschichte Berlins und ihrem Standort sinnieren. Das mag zunächst merkwürdig anmuten, ist aber ein wirklich gekonntes Stilmittel, das Flair des damaligen Berlin einzufangen.

Für mich war Drei Tage im August ein besonderer historischer Roman, etwas abseits vom Mainstream, mit ruhigem Erzählstil und ganz eigener Sogkraft. Von mir daher eine Leseempfehlung für all diejenigen, die das Besondere lieben!