Drei Tage voller Wunder

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gerwine ogbuagu Avatar

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Diesen Roman möchte ich als ein Buch des Staunens und der Wunder bezeichnen. Er ist eine Erzählung, die viele tiefgründige und bewegende Geschichten enthält. Sie sind alle miteinander verkettet und verwebt und bilden einen Teppich – ja, eine wahre Tapisserie.
Vordergründig geht es um Schokolade, um die Schokoladenfabrik Sawade, die bis heute in Berlin existiert, wie wir aus dem Nachwort lernen. Wir erleben Berlin vor dem Hintergrund der Olympiade, die vom 1. bis 16. August 1936 stattfand. Die drei Tage von denen wir lesen, sind der 5. – 7. August. Es geschieht viel in dieser Zeit, dass niemand, der sie erlebt, je vergessen wird. Die Nazifahnen wehen, die Hitlerjugend belästigt andere Jungen. Ein Wind, dessen Vorboten unheimlich sind, weht in den Straßen, währenddessen elegante Berliner*innen dort flanieren und es sich in den vielen Cafés gut gehen lassen und gespannt die Spiele verfolgen. In diesen drei Tagen treffen sich Menschen, deren Schicksal ein ganz besonderes ist. Da ist der jüdische Buchhändler Franz, der vor einer schweren Entscheidung steht. Geschäftsführerin Elfie des Schokoladenladens Sawade kämpft mit ihren eigenen Dämonen. Ihre Kollegin Trude steht ihr zur Seite und erlebt die Liebe. Elfies schwer kranke Nachbarin, die Conte, erzählt von ihrem Leben, sie hat die Kaiserzeit seit 1880 erlebt. Auch dieses Leben von dem Elfie hört, hinterlässt Spuren in ihr. Abends treffen sich die Nachbarn in der Hamady-Bar von Issa El-Hamady. Elfie tanzt dort und dies verändert sie.
Selten liest man in einem Roman so viel Gustatorisches – der Duft von Schokolade, von Bonbons, von Blumen und den Linden, die die Straße säumen strömt geradezu aus den Seiten. Die Linden spielen auch eine besondere Rolle in der Erzählung. Von ihnen lernen wir viel über Berlin und seine ganz eigene Geschichte.
Sterns Sprache ist magisch. Sie schreibt und wir fühlen ins mitgenommen in die von ihr kreierte Atmosphäre. Nicht nur die Personen sprechen und hören zu, auch die Bonbons im Laden spreizen sich, um jedes Wort zu erhaschen. Als Elfie bei einem kleinen Mädchen Levkojen kauft, raunt ihr die Blütendolde zu, wie arm die Kleine ist. Während sie bei ihrer ganz besonderen Nachbarin, Madame Conte, ein Glas Portwein trinkt, spricht der Wein zu ihr „das werden wir ja sehen“, gerade als Elfie beschließt, dass dieses Glas das letzte sein wird.
Wie diese Geschichte sich entwickelt ist einmalig kunstvoll ausgedacht. Wie sie geschrieben ist, welche Sprache wir lesen ist ein Hochgenuss, gleich einer Praline, die wir uns auf der Zunge zergehen lassen und der weitere folgen müssen, so unwiderstehlich ist ihre Anziehungskraft.
Die Begegnungen dieser Menschen untereinander, von denen wir lesen, verändern in jedem etwas Anderes, etwas, das sie nie in ihrem Leben vergessen werden.