Ein Sommer in Berlin

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tochteralice Avatar

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Es ist Sommer in Berlin, Anfang August in einem ganz besonderen Jahr, nämlich 1936. Die Nazis sind schon seit über drei Jahren an der Macht und treiben ihr Unwesen.

Dennoch: zum ersten Mal seitdem sind mehr Ausländer in der Stadt zu sehen, ja es sind sogar so viele, dass sie da und dort die steife nationalpatriotische Stimmung ein wenig durchbrechen können.

Denn es ist Olympia in der Stadt, wobei diese Veranstaltung allenfalls den Teil eines Rahmens für diesen Roman bildet.

Das zentrale Thema ist ein ganz anderes, nämlich ein kleiner Bereich in der Straße "Unter den Linden" und drumherum, genauer gesagt sogar ein Haus und dessen Umfeld. In dem Haus befinden sich Produktion und Verkauf der Confisserie Sawade, feinste Pralinen werden hier hergestellt und erworben. Wer hier herkommt, der hat nur eines im Sinn, nämlich zu verwöhnen, ob sich selbst oder andere, man ist zweifellos am Zentrum einer Begierde angekommen!

Hier schwingt Elfie das Zepter, sie leitet den Laden und ist von allen diejenige, die bereits am längsten in der Pralinerie arbeitet, mit ihr verwachsen ist sie sozusagen.

Um sie herum lernen wir andere Menschen und ihr Leben kennen und immer wieder wird deutlich: vieles ist anders geworden in den letzten Jahren, man kann keinem mehr trauen. Vorsicht ist geboten. Und dennoch muss es irgendwie weitergehen, man will ja auch weitermachen, ein kleines bisschen Normalität, ein Stück Alltag bewahren-

Aus meiner Sicht hat Anne Stern gerade dies in ihrem Roman nahezu meisterlich dargestellt: es sind eher verhaltene Entwicklungen, die hier dargestellt werden, umso glaubwürdiger und lebensnaher erscheinen sie, mir zumindest. Denn eine sehr bedrohliche Zeit ist angebrochen, viele - doch längst nicht alle - merken bereits, dass man auf einen Krieg zusteuert. Was noch kommen könnte, weiß keiner, aber man braucht kein Prophet zu sein, um zu erfassen, dass es nichts Gutes ist.

Ein überaus atmosphärischer Roman, der allerdings nichts für Actionfans ist, eher für Freunde der leisen Töne.