Ein Zufluchtsort

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dicketilla Avatar

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Drei Tage im August des Jahres 1936, drei Tage, an denen sich das Leben der verschiedensten Personen ändert. Schauplatz ist die kleine, aber bekannte Chocolaterie Sawade Unter den Linden. Eine Straße, gerade für die Aufmärsche der Nazis erweitert wurde, zahlreiche alte Platanen und Ahornbäume dafür weichen mussten. Als Ersatz kleine, zierliche Linden gepflanzt wurden.Es ist das Jahr der Olympischen Spiele.

Da ist die 40-jährige Elfi, oft von einer gewissen Schwermut befallen, aber in der Welt der Pralinen blüht sie förmlich auf. Sie hat stets ein Ohr für ihre Kundschaft. Ungerechtigkeiten lässt sie nicht zu. Frank Marcus, ein jüdischer Buchhändler, Erwin ein Museumsbeamter im Kronprinzenpalais, Madame Conte eine sterbende ältere Dame, die noch was zu erzählen hat. Heiner Page im Adlon und El Hamady Barbesitzer einer Jazzkneipe. Eine Vielfalt unterschiedlicher Personen, die der Handlung einen tiefen Einblick in die damalige Zeit vermitteln. Ich habe sie alle gemocht.

Besonders gefiel mir, dass es auch ständige Passagen gab, an denen die Linden zu Wort kamen. Ein ungewöhnlicher, aber gelungener Schachzug der Autorin. Sie berichten über die sich veränderten Zeiten und teilen einen geschichtlichen Überblick mit dem Leser.

"Wir wachen über die Straße, und sie, die Allee Unter den Linden, wacht auch über uns."

Mich hat das Buch begeistert, und von Anfang an gefesselt. Eingebunden auch die Veränderungen, die die Menschen durch den Nationalsozialismus erfahren müssten, die sich auch bis in die Chocolaterie auswirken. Drei Tage nur erzählt, aber die viel zu erzählen hatten. Anne Stern erzählt in einer vertrauten Sprache, lässt ihre Charaktere strahlen, aber auch Traurigkeit erfahren. Ein ansprechender Roman über eine Zeit, in der Menschlichkeit in diesen unmenschlichen Zeiten von großer Wichtigkeit war.