Man fängt an zu lesen und findet sich selbst!

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kascha Avatar

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„Drei Tage im Schnee“ ist ein Buch, das nicht nur das Herz erwärmt, sondern direkt reingeht und es sich dort kuschelig bequem macht. Und es bleibt etwas Warmes zurück, nachdem die letzte Seite gelesen ist. Das ist Fakt.

Ina Bhatter stellt uns Hannah vor - eine Frau Mitte dreißig, die sich für eine Auszeit in eine kleine Hütte an einem verschneiten See zurückzieht. Sie will zur Ruhe kommen, Abstand gewinnen vom hektischen Stadtleben und ihrem stressigen Job. Die Stille und Abgeschiedenheit, die sie sucht, wird durch das Auftauchen von Sophie unterbrochen – ein kleines Mädchen in einem roten Schneeanzug, die neugierig, unbefangen und voller Energie daherkommt. Gemeinsam verbringen die beiden dann ein bisschen Zeit miteinander: Sie bauen Schneemänner, trinken weiße Schokolade und erzählen miteinander. Und das macht etwas mit Hannah, denn sie beginnt sich zu erinnern, wie sie als Kind war und fragt sich, wann sie diese Leichtigkeit und Unbefangenheit verloren hat. Wann sie erwachsen wurde.

Dieses Buch kommt mit einer ganz warmen, ruhigen aber dennoch klaren Sprache daher. Die Beschreibungen von Sophie und das, was die beiden gemeinsam erleben, sind voller Emotionen und gehen direkt unter die Haut. All die Momente, in denen Hannah reflektiert und aus der Distanz auf ihr Leben schaut, sind eben sehr klar und das spiegelt sich auch in der verwendeten Sprache. Das macht das Buch so lebhaft und lässt einen als Leser*in ganz einfach den Gefühlen und Gedanken folgen. Ich würde auch sagen, dass der Winter nicht nur eine Kulisse ist, sondern als Symbol für die Stille ist, die einem Neuanfang vorausgeht.

Der Roman ist mit rund 170 Seiten wirklich kurz und deshalb ist er perfekt für Menschen, die wie Hannah wenig Zeit haben und sich immer ein wenig gestresst fühlen. Umso konzentrierter ist der Inhalt, denn hier geht es um Selbstfindung. Hannahs Rückzug in die Einsamkeit wird zu einer Reise nach innen – und Sophie ist ihr Kompass. Die gemeinsamen Gespräche mit Sophie können auch als innere Monologe von Hannah gedeutet werden, in denen sie Fragen stellt und ihre ganz eigenen Antworten darauf findet. Und wir dürfen diese Fragen für uns selbst beantworten und mit Hannahs Gedanken abgleichen.

Besonders gelungen ist für mich die Leichtigkeit des Romans. Obwohl es ein doch recht schweres Thema ist, das um die zentrale Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens kreist, ist die Geschichte an sich nicht schwer, sondern durchsetzt mit ganz vielen positiven Emotionen und wahnsinnig viel Hoffnung. Wer schon mal an einem Punkt im Leben war, wo man überlegt hat, ob das so das Richtige für einen selbst ist, der wird sich komplett in dieser Geschichte wiederfinden. Und diese Phasen kommen ja öfters.

Natürlich ist dieses Buch auch kein "Allerweltsroman", den jede:r lieben wird. Wer dennoch Spannung braucht, wird hier nicht fündig. Wer sich vor introspektiven Geschichten scheut, sollte gar nicht erst anfangen zu lesen. Aber „Drei Tage im Schnee“ ist für all jeden, die sich einladen lassen wollen, einen Gang runterzuschalten, innezuhalten, nachzudenken und nachzufühlen, wo man gerade steht und ob es die richtige Position ist, oder ob man die Richtung ändern sollte, oder das Gepäck, oder die Begleitung. Man fragt sich beim Lesen unweigerlich selbst und sieht sich irgendwie hinterher mit anderen Augen. Am Ende bleibt ein Gefühl von Frieden, Klarheit und einer ganz eigenen Leichtigkeit. Ich glaube, wenn man dieses Buch liest, braucht man keine drei Tage im Schnee, um sich selbst zu finden.