Der Täter als sein eigenes Opfer

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emmmbeee Avatar

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Ein erster grosser Schmerz tritt in das Leben eines Jungen. Er überwältigt ihn so sehr, dass er im Affekt einen Sechsjährigen erschlägt. Dabei hat ihn der kleine Remi doch tief bewundert und verehrt. Mit viel Mühe beseitigt er die Leiche des Knaben und verliert dabei seine teure Uhr. Nun kommt zum Schuldgefühl die Angst vor Entdeckung. Kann denn ein Zwölfjähriger damit leben? Vorerst drei Tage lang, und dann sein ganzes Leben?
Doch ein Sturm fegt wie ein reinigender Besen die Spuren des Totschlags fort, die Gefahr scheint vorerst gebannt, doch die Angst steigert sich zeitweise zur Panik und begleitet ihn durch die folgenden Jahre. Was er im Leben auch anpackt, mit einem solchen Trauma kann ihm kein dauerhafter Erfolg beschieden sein. Dabei hat fast jeder im Dorf einen gehörigen Batzen Dreck am Stecken – wie soll da ein Kind seinen Weg finden können?
In einem Krimi wird meist auf die Entdeckung des Mörders hingearbeitet; hier kennen wir ihn von Anfang an und erleben mit, wie Antoine 1999, 2011 und 2015 mit der Schuld, die er auf sich geladen hat, lebt. Es hat mich beim Lesen förmlich durch die Seiten gejagt, bis zur letzten Seite wurde höchste Spannung gehalten.
Lemaitre gelingt es, uns zur Eigenreflexion zu animieren: Kann es nicht jedem von uns passieren, dass er zum Auslöser einer schrecklichen Tat wird? Wie würden du und ich damit umgehen? Beim Lesen habe ich immer das Mitleid zu Antoine empfunden. War er denn überhaupt schuldfähig? Der kindliche Täter wird meiner Meinung nach zu seinem eigenen Opfer. Das Buch wird wohl noch lange meine Gedanken beschäftigen.