Interessante Thematik, die zum Nachdenken anregt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
furbaby mom Avatar

Von

Zunächst einmal ein paar Worte zum Cover. Ich bin...unentschlossen. Mag ich es oder nicht? Mmmh, einerseits passt der leicht düstere Touch total zum ernsten Thema der Handlung und die Zeichnung erinnert mich tatsächlich an alte DDR-Bilder. Andererseits stört mich irgendetwas und ich komme nicht darauf, was es sein könnte. - Vielleicht der gelbe Hinweis-Sticker oben rechts oder überhaupt die grelle Farbe des Buchtitels... Ich verstehe ja, dass dieser optisch hervorgehoben werden muss, aber eine andere, weniger scheierische Farbe hätte mir besser gefallen. Zum Beispiel eine dunkle Farbe mit hellem Rand.

Die Grundidee zum Roman (bzw. zur Serie) finde ich genial, da ist Spannung garantiert. Man fragt sich automatisch: ‚Wie hätte ich mich in dieser Ausnahmesituation entschieden?‘ Dabei muss man bedenken: Die Passagiere hatten damals schließlich nicht den Kenntnisstand über die anstehenden politischen Entwicklungen, den wir als Leser/innen im Nachhinein haben. Vielmehr galt es, in sich hineinzuhorchen und auf sein Bauchgefühl zu hören. Und für solch eine lebensentscheidende Überlegung sind dreieinhalb Stunden nicht viel Zeit.

Dass Marlis ihrem Mann nichts von dem brisanten Telegramm erzählt hat, finde ich ein starkes Stück. In einer Ehe darf man sich etwas von solchem Ausmaß doch nicht verschweigen! Dass sie ihm im ersten Schock, nach dem Entziffern der geheimen Botschaft, nicht sofort reinen Wein eingeschenkt hat, lasse ich gelten. Die Info bezüglich des Mauerbaus (und die damit verbundenen Konsequenzen) muss man schließlich zunächst kurz verdauen. Aber mittlerweile ist der nächste Tag angebrochen und wertvolle Zeit verstrichen, die Marlis und ihr Mann zur Abwägung der Lage hätten nutzen können. Fair finde ich ihr Verhalten nicht. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Vater sich weit aus dem Fenster gelehnt hat, um ihre diese wertvollen Informationen zukommen zu lassen. Sie raubt Gerd aus Egoismus die Wahl, selbst über sein Leben entscheiden zu können – aus Angst, er würde lieber im Westen bleiben wollen und sie verlassen. Ganz ehrlich, was sind denn das für Voraussetzungen für den Rest ihrer Ehe?! Sobald er erfährt, dass sie ihm sowas Wichtiges bewusst verschwiegen hat, wird er ihr sowieso nicht verzeihen und trennt sich dann eben später. Er ahnt ja bereits jetzt etwas, nachdem Willi ihn im Zug auf das Thema angesprochen hat.

Wen meint Carla, wenn sie von ihrem 'Peiniger' spricht? Wartet ein gewalttätiger Partner auf sie? An ihrer Stelle würde ich einen Teufel tun und zurückfahren. Und Artur von der Kripo München scheint das Herz zwar am rechten Fleck zu haben, stellt jedoch seine Moral hinter die Dienstpflicht.

Der Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut; die Gedanken und Gefühle der einzelnen Protagonisten werden authentisch beschrieben. Ich hoffe allerdings, dass nicht noch mehr Perspektiven hinzukommen werden, damit man sich besser auf die Einzelschicksale konzentrieren kann.