Die Uhr tickt...

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michellesbuchblog Avatar

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Achtung: eventuelle Spoiler.

Momentan bin ich auf dem Pfad, immer mehr historische Romane zu lesen und in der Vergangenheit zu stöbern. Deswegen konnte ich es mir auch definitiv nicht nehmen lassen, "Dreieinhalb Stunden" zu lesen - das geteilte Deutschland sowie die Wiedervereinigung sind Themen, die mich schon in der Schule begeistern konnten. Natürlich besitze ich schon ein historisches Grundwissen über den Mauerbau, aber trotzdem hat das Buch einen großen Mehrwert, finde ich. Man erlebt das Buch aus einer anderen, intimeren, privateren Perspektive, indem man viele Charaktere kennenlernt, die eine lebenswichtige Entscheidung treffen: Zurückkehren oder nicht?

Das Element der Zeit spielt hierbei, wie schon der Titel anklingen lässt, eine wichtige Rolle. Genau das gefällt mir auch an dieser Geschichte; dieser Druck, der vermittelt wird. Man steht vor einer wichtigen Entscheidungen, aber muss sich relativ schnell entscheiden. Das fördert natürlich die Spannung, was meiner Meinung nach gut herübergekommen ist im Buch. Es ist wirklich interessant, die einzelnen Hintergründe der Charaktere kennenzulernen, denn auch wenn sie alle verschieden sind, haben sie dennoch alle irgendeinen Bezug zum Westen, der sie verbindet. Demnach rätselt man natürlich mit, welche Entscheidungen getroffen werden, wie sie mit der Situation umgehen und was sie über den Westen (oder auch die DDR!) denken. Tatsächlich mochte ich die Band hierbei am liebsten; ich finde, dass sie sehr divers und abwechslungsreich konstruiert und mir persönlich auch (jedenfalls meistens) am sympathischsten gewesen sind. Ebenfalls sind ​vor allem die Prozesse des kritischen Hinterfragens; des Nachdenkens und Abwägens sehr kreativ und interessant gestaltet. Zusammen mit dem Zeitdruck ist dies wirklich ein gut konstruiertes Spannungsfeld.

Gleichzeitig hat sich hierbei leider ein Problem bei mir entwickelt: Die Vielfalt. Normalerweise würde ich das loben, aber ehrlich gesagt konnte ich nicht zu 100% in das Buch hineinfinden, weil ich zwischendurch wirklich Probleme hatte, die einzelnen Charaktere wieder ihrem Umfeld und ihrer Geschichte zuzuordnen. Besonders, wenn ich eine kurze Pause von dem Buch gemacht habe, hatte ich leider das Gefühl, dass ich zu sehr rausgekommen bin. Das finde ich echt schade; aber ich denke, dass das hauptsächlich eher an mir liegt - im weiteren Verlauf hat sich das zwar nämlich verbessert, aber für mich war das dennoch ein kleiner Dämpfer. Ich glaube, dass man im Film dieses Problem nicht hat, weil man dann direkt auch Personenbilder vor Augen hat - im Buch ist das leider aber etwas schwierig. Dennoch finde ich es an sich toll, dass wir mit solch einem vielfältigen Spektrum konfrontiert werden, weil man somit mehr Perspektiven, mehr Meinungen und mehr innere Konflikte erfährt, die im Endeffekt dafür sorgen, dass man ein besseres Bild (aus der Perspektive der Bevölkerung) über den Mauerbau erhält. Demnach kann ich das Buch auf jeden Fall empfehlen, wenn man sich für jenen historischen Abschnitt interessiert und gerne die konfliktreiche Entscheidungsfindung der Charaktere kennenlernen würde. Denn schließlich befassen wir uns mit einer Frage, die nicht leicht ist und das ganze Leben beeinflussen kann...Wie würdest du dich entscheiden?