Dreieinhalb Stunden, die dein Leben verändern

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greenie_apple Avatar

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„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“, verkündet Ulbricht noch im Juni 1961. Doch dann geht am 13. August die Meldung um, dass dies doch der Fall sei. Als diese Nachricht im Interzonenzug von München nach Ost-Berlin bekannt wird, stehen die Reisenden vor der alles entscheidenden Frage, ob man im Westen bleiben oder zurück in den Osten fahren soll. Für diese Entscheidung haben die Fahrgäste nur dreieinhalb Stunden Zeit. Dreieinhalb Stunden, die ein ganzes Leben verändern werden.

Beschrieben wird die Geschichte einer Familie, einer Band, einer Turnerin und deren Trainerin, der Lokführerin und weiterer Menschen, jeder mit einer eigenen Vergangenheit, die die Entscheidung erschwert. Da auch meine eigenen Eltern ein Jahr zuvor vor dieser Entscheidung standen, hat mich das Buch besonders interessiert. Welche Beweggründe mag es geben, sein Leben neu zu beginnen? Welch ein Mut gehört dazu, alles aufzugeben? War das System der DDR überhaupt so schlecht, dass man zwingend in die BRD wechseln wollte? Für mich ein unglaublich spannendes Thema. Als ich lange nach der Wiedervereinigung selbst im alten Ostteil von Berlin wohnte, habe ich mich ein ums andere Mal gefragt, wohin ich so schnell geflohen wäre, wenn eine solche Meldung mich erreicht hätte.

Die einzelnen Figuren wurden sehr bildhaft dargestellt, man konnte in die Charaktere eintauchen und erahnen, was sie bewegt. Leider blieb es aber oft nur ein Kratzen an der Oberfläche. Vielleicht hätte es geholfen, sich auf weniger Menschen zu beschränken und dafür noch mehr in deren Einzelschicksale zu tauchen, denn die Idee lieferte auf jeden Fall ausreichend Potenzial. Durch den flüssigen Schreibstil und die immer wieder wechselnden Erzählperspektiven war es dennoch eine spannende Lektüre, die zum Nachdenken anregen konnte, mich an der ein oder anderen Stelle aber etwas unbefriedigt zurückließ. Jetzt bin ich gespannt auf die filmische Umsetzung, mit der ich bis nach dem Lesen warten wollte.