Wenn du nur ‚3 ½ Stunden‘ hättest, um dich zu entscheiden, wo du leben willst, was würdest du tun?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
bookfeva Avatar

Von

Zunächst zum Inhalt:
Interzonenzug D-151 ist auf dem Weg von München nach Ost-Berlin und es ist der 13. August 1961. Bei Abfahrt des Zuges ahnen die Insassen noch nicht, was gerade in der DDR mit dem Mauerbau geschieht, doch schon bald machen die Neuigkeiten die Runde. Nun muss jeder der Passagiere entscheiden, ob er oder sie aussteigen und im Westen bleiben will, oder mit dem Zug zurück in die DDR fährt. Dafür bleiben jedoch nur 3 ½ Stunden, denn dann überquert der Zug die Grenze.

Meine Meinung:
Der Roman versammelt ein buntes Figurenensemble, das jedoch zeitweilig auch verwirrend kann. So sind die Kapitel jeweils aus der Sicht einer der Figuren geschrieben und meist sehr kurz, etwa 1-2 Seiten. Dadurch finden sehr häufige Perspektivwechsel statt, denen nicht immer ganz leicht zu folgen ist. Unter den Figuren finden sich beispielsweise ein West-Kommissar, der versucht einen Fall zu lösen, eine Familie, eine Band sowie eine Trainerin mit ihrem Schützling. All diese Personen haben natürlich unterschiedliche Gründe in die DDR zurückkehren zu wollen bzw. auch Gründe es nicht zu tun.
Diese Gründe, die dann auch zu Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppen führen, machen das Buch erst interessant. Einige der Gruppen entscheiden sich erst ganz zum Schluss für oder gegen eine Einreise in die DDR, sodass es für die Leserschaft über die gesamte Handlung spannend bleibt.
Die häufigen Perspektivwechsel unterstützen zwar die Spannung, erschweren jedoch den Lesefluss deutlich. Häufig muss man sich als Leserin oder Leser zunächst zu Beginn des Kapitels orientieren und erinnern, wer die Geschichte gerade erzählt und in welchem Verhältnis er oder sie zu den anderen Figuren steht. Diese Brüche lassen leider wenig Lesefreude aufkommen. Hier wären eventuell längere Kapitel wünschenswert gewesen, um sich auch besser in die Figuren hineinversetzen zu können.
Dennoch zeigt das Buch auf eindrückliche Weise, wie sich die Menschen dieser Zeit gefühlt haben müssen und welche Beweggründe sie zu einer Flucht oder dem Verbleib in der DDR bewogen haben. Besonders interessant war auch der Blick auf die andere Seite der Mauer in Form eines Polizisten, der in der DDR die Unruhen an der neu entstehenden Mauer erlebt.

Insgesamt ein historischer Roman mit einer spannenden Rahmenhandlung, die jedoch erzählerisch nicht ganz überzeugend umgesetzt ist.