Zeitreise mit Kapitalverbrechen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
büchersally Avatar

Von

An ihrem freien Sonntag wird Hauptkommissarin Jo zusammen mit ihrem Kollegen Lutz zu einem Tatort gerufen. Bauarbeiter haben ein Skelett gefunden, das offensichtlich schon einige Jahrhunderte in der tönernen Erde liegt. Zu allem Unglück haben die beiden Kommissare auf dem Rückweg einen Autounfall und finden sich zwei Tage später im ausgehenden Mittelalter wieder. Jo glaubt zunächst noch an einen sehr intensiven Traum, als ihre Magd ihrem Gedächtnis wieder auf die Sprünge hilft. Doch offenbar scheint sie nun im Jahre 1380 die Identität ihrer Ahnin angenommen zu haben, die als Witwe eines Webers in der Nähe vom Dom in Ebersheim lebt. Obendrein berichtet die Magd auch vom Erbstreit mit den Brüdern ihres Mannes, der Jos Problem noch verstärkt. Beim ersten Zusammentreffen kann ihr noch der ortsansässige Wirt helfen, der ihrem Kollegen verblüffend ähnlich sieht. Schnell finden die beiden heraus, dass sie unbedingt den heimtückischen Mord sühnen müssen, um wieder in ihr altes Leben zurückfinden zu können.

Ein Zeitreiseroman ist immer ein interessantes Gedankenspiel. Wie würden wir uns mit unserem heutigen Wissen in der vergangenen Zeit verhalten? Menschliche Grundbedürfnisse wie Hunger oder ein warmes und trockenes Zimmer waren nicht selbstverständlich zu stillen. Die oft nur schemenhafte Vorstellung der damaligen Gebräuche und vor allem Rechte würden uns in arge Bedrängnis bringen. Die Gelehrten hatten seinerzeit noch keine Kenntnis über viele geologische und physische Zusammenhänge, weswegen sie ihre Erklärung im Aberglauben suchten. Auf der anderen Seite war die Ablenkung vom Wesentlichen des Lebens auch nicht geboten, sodass sich die Frage nach dem Sinn des Lebens bei den meisten gar nicht stellte.

All diese Überlegungen scheint Bea Rauenthal auch angestellt zu haben. Sie hat daraus eine ungewöhnliche und spannende Geschichte entstehen lassen, die bereits im Prolog die Neugier weckt. Das uralte Skelett weist auf eine Tat im 14. Jahrhundert hin und verbindet die beiden Zeiten wieder miteinander. Für mich scheint es ein gelungener Genremix, bei dem ein historischer Fall mit neuzeitlichem Vorgehen aufgeklärt wird. Die natürlich nicht ernstzunehmende Handlung bedient sich einem humorvollen Sprachstil. Die historische Kulisse ist nur notdürftig beschrieben, sodass der Fokus auf das Verhalten der Kommissare liegt. Stets müssen sie vorsichtig sein, da es seinerzeit überhaupt nicht schicklich war, sich als Witwe mit einem windigen Gastwirt nach der Sperrstunde zu treffen. Auch stellte man in diesem gesellschaftlichen Rang keine Fragen zu Vorgängen in Lusthäusern oder gab gar dem Bischoff Widerworte. All das fügt sich aber zu einem unterhaltsamen Kriminalfall zusammen, der für eine rasante Handlung mit Lesespaß sorgt. Dieser erste Teil einer Serie hat bereits zwei Nachfolger, die demnächst erscheinen. Wir Leser dürfen uns also auf weitere Zeitreisen zu den ungeklärten Mordfällen der Vergangenheit freuen.