Ein wichtiges Buch

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katrinb Avatar

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Hüseyin kommt als junger Mann aus seinem kurdischen Dorf nach Deutschland, um hier zu arbeiten und sich seinen Traum einer Eigentumswohnung in Istanbul zu erfüllen. Er gründet eine Familie, lebt ein von Arbeit und Entbehrungen geprägtes Leben in Deutschland, ohne - ebenso wie seine Frau Emine - hier jemals wirklich heimisch zu werden. Ganz anders als seine vier Kinder, die in Deutschland aufgewachsen sind und alle ihren eigenen Lebensweg mehr oder weniger erfolgreich gehen. Kurz nach dem Einzug in die neue Wohnung stirbt Hüseyin und die Familie kommt anlässlich der Beerdigung zusammen.
Hier setzt nun der Roman ein. Jedem Familienmitglied, einschließlich dem verstorbenen Hüseyin, ist ein Kapitel gewidmet. Da ist der fleißige Hüseyin und seine tief im Inneren verletzte Frau Emine, der sensible Ümit, die rebellische Peri, die tüchtige Sevda und der problematische Hakan. Jede*r trägt seine Probleme, Verletzungen und Sorgen mit sich, jeder ist irgendwie beschädigt, auch durch die Ansprüche und Forderungen, die direkt oder indirekt von der Familie an ihn / sie gestellt werden. Das Buch endet mit einem unerwarteten Knalleffekt, der mich verstört, traurig und gleichzeitig ein wenig hoffnungsvoll zurückgelassen hat.
Dieses Buch hat mich unglaublich berührt. Die Autorin schafft es, authentische Menschen aus Fleisch und Blut erstehen zu lassen, jeder der sechs Charaktere bekommt eine eigene, typische, überzeugende Stimme. In seiner Gesamtheit ergibt das ein facettenreiches, vielschichtiges, aus vielerlei Themen gewobenes Bild: das Problem der Fremdheit im eigenen (und fremden) Land, die Unterdrückung der Frau, Diskriminierung und last not least die Frage, inwieweit man in einem von strengen Regeln geprägten patriarchalischen System seine eigene Identität bewahren und leben kann.
Das Buch hat mich auf allen Ebenen restlos überzeugt und begeistert. Eine klare Leseempfehlung!