Literarisches Meisterwerk!

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plansbymrsgue Avatar

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Willst du, dass ich glücklich bin? Oder willst du lieber Recht behalten?

Du liest jedes Wort und nimmst es in dir auf, du fühlst es. Jedes Wort ist richtig und spricht zu dir. So viel Trauer, so viel Leid. Hätte es besser werden können, hättet ihr miteinander gesprochen? Hätte man sich nicht hinter dem versteckt, was die Älteren entschieden haben? Wer weiß…

„Dschinns“ handelt von Hüseyin Yilmaz, einem Auswanderer aus der Türkei, der sich sein Leben lang in einer Eisenfabrik (später Kartonfabrik) abmüht um seiner Familie ein besseres Leben zu bieten. Als Frührentner kauft er sich von seinen Ersparnissen endlich eine Wohnung in Istanbul um dort seinen Lebensabend zu genießen. Doch dann stirbt er unerwartet. Wir begleiten seine Frau und die Kinder bei der Trauerbewältigung und dem Rückblick auf ihre jeweiligen Leben.

Fatma Aydemir ist mit „Dschinns“ ein literarisches Meisterwerk gelungen. Ich übertreibe nicht. Lest es. Sie beschreibt die Charaktere und Situationen so gut, mit einer so unglaublichen Sprachgewalt, dass man sich sofort in sie hineinversetzen kann. Mal schmunzelt man und mal hat man Tränen in den Augen. Eine unfassbare Geschichte. Unfassbar, aber doch wahr - denn das was den Protagonisten passiert bzw. passiert ist, haben leider in den 80er und 90er Jahren etliche Familien erlebt. Manche erleben es gar heute noch.

Kein Wort ist zu viel geschrieben. Es sollte in so viele Sprachen wie möglich übersetzt werden, damit noch mehr Menschen die unzähligen Botschaften lesen, die Aydemir in diesen Roman gepackt hat.
Am liebsten hätte ich, dass die Generationen, die ähnliche Schicksale erlebt haben wie die Protagonisten, es lesen, damit sie wissen, dass sie nicht allein sind, dass sie keine Schuld trifft, dass es kein Schlechtreden der eigenen Erziehungsmethoden ist, wenn die Kinder sich für einen anderen Weg entscheiden oder es versuchen „besser“ (anders) zu machen. Die Frage, die ich mir stelle ist jedoch, ob diese Generationen eine solche Art von Romanen lesen würden? Denn haben sie nicht alle irgendwie immer nur gelernt zu arbeiten..? Dass dich die Arbeit zu dem macht, was du bist?

Ich habe mir so viele Zitate markiert, dass ich mich schwer entscheiden konnte; möchte aber das folgende mit euch teilen:

„Vielleicht sind das die Dschinns, die Wahrheiten, die immer da sind, […] ob man will oder nicht, aber die man nicht ausspricht, in der Hoffnung, dass sie einen dann in Ruhe lassen […].“ (S. 193)

Dieses Buch ist für mich ein Jahreshighlight und ab jetzt eines meiner Lieblingsbücher!
5 von 5 Sternen.

Vollständigkeitshalber möchte ich anmerken, dass der Roman zum Teil sehr derbe Sprache/Kraftausdrücke enthält.