Kühl, klug, unberechenbar

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
tabasc0 Avatar

Von

Der neueste Thriller Düsteres Tal von Ruth Lillegraven präsentiert eine komplexe Geschichte um die norwegische Protagonistin Clara Lofthus, deren scheinbar befreites Leben in Nairobi plötzlich von ihrer dunklen Vergangenheit eingeholt wird. Zurück in Oslo wird sie zur Justizministerin ernannt – doch dann taucht eine Leiche auf und eine Podcast-Recherche bringt Gefahren und Geheimnisse zutage.

Clara wirkt in diesem Roman interessant, aber zugleich irgendwie kalt und unnahbar – eine Figur, die konsequent Distanz wahrt und deren Motive lange im Nebel bleiben. Gerade diese Doppelbödigkeit macht sie für mich spannend: Man spürt, dass hinter der Fassade mehr steckt, als sie selbst preisgibt, doch gleichzeitig ist der Zugang zu ihr emotional begrenzt.

Die Stärken des Buches liegen in seinem vielschichtigen Aufbau und dem überraschenden Ende, das nicht einfach nur Thriller-Klischees abarbeitet, sondern die Charaktere und ihre Vergangenheit in neuen Licht­winkeln zeigt. Die nordische Kulisse und das Setting wirken stimmig in ihrer Düsternis.

Was mich jedoch etwas störte: Titel und Cover passen für mich nicht so recht zur Story. Der Name „Düsteres Tal“ und das visuelle Design suggerieren gewissermaßen eine abgelegene Landschaftsgefahr – im Buch geht es aber mehr um Macht, Vergangenheit, Täter-Opfer-Beziehungen und das Innenleben einer Frau im juristischen Spitzenamt. Dieser Widerspruch störte etwas das Lesegefühl.

Insgesamt bekommt das Buch von mir vier Sterne — es ist klar überdurchschnittlich, bietet Tiefgang, Figuren mit Ecken und Kanten und ein gelungenes Finale. Wer jedoch eine emotional sehr offene Hauptfigur oder ein klassisches Landschafts-Thriller-Gefühl erwartet, könnte etwas überrascht sein.