Eine ungleiche Liebesgeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
evaczyk Avatar

Von

Ich kannte Anne Stern bereits als Autorin der historischen Romane (mit ein bißchen Krimi) um die Berliner Hebamme Hulda Gold im Berlin der 1920-er Jahre - eine toughe, selbstbewusste Frau, die sich nicht mit herkömmlichen Rollenklischees abfinden will. Also war ich sofort interessiert, als ich sah, dass Stern ein Buch mit einem anderen historischen Kontext, nämlich dem Dresden des 19. Jahrhunderts, noch vor der Revolution von 1848 geschrieben hat. Der Titel "Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie" klang für meinen ein ja bißchen sehr melodramatisch. Würde sie auch hier eine starke Frauenfigur finden, um die sich die Handlung entwickelt?

Nach der Lektüre würde ich sagen, jein. Denn einerseits träumt die behütete Bürgerstochter Elise Spielmann durchaus davon, ihr musikalisches Talent als Violinistin auszuleben, ist beeindruckt von der Geschichte Clara Schuhmanns. Doch andererseits ist sie in Konventionen gefangen, weiß das Leben einer höheren Tochter und Verlobten eines durchaus einflussreichen Mannes zu schätzen, auch wenn sie den Altersgenossen ihres Vaters nicht liebt. Wenn, dann ist es ihre 15-jährige Schwester, die aufbegehrt und von einem anderen Leben für Frauen ihrer Gesellschaftsschicht träumt.

Eine toughe Frau ist auch die Requisitenbeschafferin des Kurfürstlichen Theaters, die früh verwaist ihren kleinen Bruder auf der Straße durchgebracht hat und vermutlich das eine oder andere Geheimnis hat, dem die Leser (in diesem Buch jedenfalls) nicht auf die Spur kommen. Auch ihr Bruder Christian arbeitet am Theater als Malergehilfe. Zufällig trifft er während einer Aufführung auf Elise - und die beiden sind sofort voneinander fasziniert, sehen sich als verwandte Seelen.

Doch hat die sich entwickelnde Liebe angesichts von Konventionen und sozialen Unterschieden eine Chance? Wie sehr das Leben einer Frau von ihrem Ruf und ihrer intakten "Ehre" bestimmt wird, macht das tragische Schicksal einer jungen Ballerina klar, die von einem verheirateten Mann schwanger wird. Und auch eine Kindheitsfreundin Elise ist tief gefallen, nachdem eine Affäre der verheirateten jungen Frau ans Licht gekommen ist. Schnell ist klar: Den Preis für eine unvorsichtige und aus Sicht der Gesellschaft unmögliche Liebe zahlen stets die Frauen.

Wie auch in ihren anderen Romanen hat Stern akribisch recherchiert, setzt ihre Geschichte in den Kontext der damaligen Gesellschaft und zeichnet ein atmosphärisch dichtes Bild des Dresdens vor fast 200 Jahren. Eine Zeit, in der das Leben einer Frau kein Vergnügen gewesen sein kann, ob nun im "goldenen Käfig" wie Elise, oder in der Unterschicht, wo Frauen gleich doppelt benachteiligt waren.

Wie sich Elise in ihrer Liebesgeschichte entscheidet, soll hier nicht verraten werden. Besonders gut gefallen hat mir in diesem Buch die Schilderung des Mikrokosmos Theater. Mit Blick auf das Jahr 1848, dessen Vorboten sich in so mancher Keipendiskussion ankündigen, gehe ich eigentlich fest von einer Fortsetzung aus, in der vielleicht die jüngere Spielmann-Tochter stärker in den Mittelpunkt gerät. Hier ging es mir mitunter ein wenig zu viel um Liebeslied und -frust. Und über manche Figur hätte ich gerne mehr erfahren. Aber vielleicht liegt ja genau dies in den Plänen der Autorin für eine Fortsetzung?