Sehr lesenswert
„Alles hat seinen Preis. (…) Vor allem das Glück. Ihr Glück, Vater - das der Männer meine ich. Für uns ist keines vorgesehen, wie Sie sehr wohl wissen.“
Dresden 1941
Elise Spielmann, Tochter eines bürgerlichen Hauses und einer Musikerfamilie sucht ihr Glück, muss sich jedoch immer wieder den gesellschaftlichen Konventionen unterwerfen.
Sie hat durch die Unterstützung ihres Vaters schon früh gelernt, die Violine zu spielen,was für junge Frauen eher ungewöhnlich ist und sie ist sehr begabt. Musik bedeutet ihr alles und sie träumt davon, öffentlich aufzutreten oder in einem Orchester zu spielen. Zu der Zeit eine unmögliche Idee.
Nun soll sie jedoch mit einem Mann verheiratet werden, der im Alter ihres Vaters ist.
Der Vater erhofft sich Unterstützung durch den bekannten Komponisten und Musikjournalisten für seine eigenen Pläne, im Orchester der neu eröffneten Semper-Oper Violine spielen zu dürfen. Die Männer sind durch weitere Geheimnisse miteinander verbunden.
Parallel lernt Elise den Bühnenmaler Christian, einen junger Mann aus einfachen Verhältnissen, der früh verwaist ist, kennen und verliebt sich in ihn. Es kommt zu einigen heimlichen Treffen, die Elises Existenz gefährden würden, wenn es herauskäme.
Hinter der Bühne des neuen Opernhauses spielt ebenso das Leben. Es geht um Liebesgeschichten und Skandale, eine junge Ballerina wird ungewollt schwanger und muss das Theater verlassen.
Es ist immer wieder unglaublich, welchen Einschränkungen Frauen in dieser Zeit ausgesetzt waren, wie Prüderie und gesellschaftliche Regeln den Umgang zwischen den Geschlechtern bestimmen. Ebenso der fehlende Zugang zu Bildung.
Traurig ist das Schicksal der Tänzerin, die schwanger ist und nun ihre Lebensgrundlage verliert, ebenso die Geschichte von Elises Freundin, die von Ehemann und Familie verstoßen wird, weil sie eine Affäre hatte.
Die Protagonistin ist sehr klug und selbstbewusst und es gelingt ihr tatsächlich eine für sie wichtige Entscheidung zu treffen.
Obwohl ich weiß, dass Liebe und Gefühle zu der Zeit anders beurteilt wurden, kann ich Elises und Christians anfängliche Schwärmerei füreinander nicht wirklich nachvollziehen. Sie hatten ja nur wenige kleine Begegnungen und kaum Kommunikation. Vielleicht ist gerade das Verbotene, Unerreichbare die Erklärung. Elise sucht auf jeden Fall das Abenteuer und ist bereit, dafür vieles zu riskieren.
In dem kurzer Zeitraum von weniger als einem Jahr, in dem der Roman spielt, erfahren wir viel über die politischen Hintergründe, die sozialen Verhältnisse sowie die Rolle der Frau in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Der politische Umbruch ist bereits zu spüren. Authentisch anmutende Briefe und Texte zeigen den Sprachstil der Zeit.
Ein wirklich spannender Blick auf die gesellschaftliche und politische Phase des Umbruchs- und Aufbruchs, das der Autorin sehr gelungen ist.