Tolle Erzählstimme, einzigartiger Krimi

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Das Buch fängt für einen Krimi typisch mit einem brutalen Mord an. Doch im zweiten Kapitel schlägt die Atmosphäre plötzlich um. Ich muss zugeben, dass ich mich zwischendrin gefragt habe, ob ich noch im richtigen Buch lese, da es plötzlich sehr idyllisch weiterging mit Verena Hofer und ihrer kleinen Tochter Amelie. Die beiden machen sich auf den Weg nach Gut Wuthenow, da Verena dort eine befristete Stelle als Assistentin von Carl von Wuthenow angenommen hat. Dieser hat nach einem "Unfall" sein Kurzzeitgedächtnis verloren und Verena soll sich als studierte Literaturwissenschaftlerin um ihn kümmern und ihn intellektuell fordern. So lautete jedenfalls die Stellenbeschreibung. Doch schon an ihrem ersten Arbeitstag wird sie ins kalte Wasser geworfen, als sie Carl bei seiner Arbeit begleitet: plötzlich findet sie sich mitten in einer Mordermittlung wieder.

Dadurch, dass das Buch aus Verenas Sicht geschrieben ist und für sie alles neu ist, bekommt der Krimi einen einzigartigen Erzählstil, mit dem sich der Leser gut identifizieren kann. Verena ist eine durchweg positive, manchmal sogar leicht naive Person, die stets an das Gute im Menschen glaubt. Für sie ist es ein Schock, mit den Morden konfrontiert zu werden. Doch durch ihre Herzlichkeit und Empathie ist sie die perfekte Ergänzung zu Carl, der zu Distanz und Sachlichkeit tendiert und sich stets an die kalten Fakten hält.

Wenn die beiden aufeinanderprallen, löst dies zunächst Spannungen aus und Verena ist kurz davor zu kündigen. Doch da sie das Geld braucht, bleibt sie. Und bald merken beide, dass sie durchaus gut miteinander harmonieren und gut zusammenarbeiten können, da beide über ihre ganz eigenen Stärken verfügen. Verena, die gut mit Menschen umgehen kann und dadurch auch bei Befragungen die ein oder andere Information herausholen kann, die sonst verloren gegangen wäre. Und Carl mit seiner raschen Aufnahmefähigkeit und Kombinationsgabe.

Die beiden sind ein interessantes Dreamteam. Was mir nur manchmal zu kurz kam, war die Spannung. Aus Verenas Sicht ist natürlich nicht nur der Fall wichtig, sondern auch ihre Tochter und das ganze Miteinander auf Gut Wuthenow. Das nimmt dem Krimi an manchen Stellen das Tempo, wenn z.B. ein gemeinsamer Grillabend ansteht. Ich bin da ein wenig zwiegespalten, da es mir auch gut gefallen hat, zur Abwechslung einen Krimi zu lesen, der sich nicht nur auf den Fall konzentriert, bei dem es nicht ständig neue, blutige Fakten gibt, sondern bei dem es auch um die Menschen geht und der fast ganz ohne Blut auskommt (wenn man mal vom Anfang absieht).

Man muss sich also klar sein, dass dies kein rasanter, blutiger Krimi ist. Doch er hat eine spannende Story, bei der man als Leser gut miträtseln kann. Und Verenas sympathische Erzählstimme sorgt für Ruhepausen, in denen man als Leser durchatmen kann und sich ganz so fühlen kann, als wäre man selber gerade auf Gut Wuthenow, das so idyllisch scheint, dass die Morde fast vergessen werden könnten.

Ich hab die Lektüre des Buches genossen. Es ist ein einzigartiger Krimi mit einer individuellen Erzählstimme und einer interessanten Story, bei der man bis zum Ende mitfiebern kann. Ein literarischer Krimi sozusagen, das passt ganz gut.