Emotionaler erster Fall für ein sehr gegensätzliches Ermittlerinnen-Duo

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marionhh Avatar

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Bislang bestand die Arbeit von Gudrun und Judith in ihrer Cold Case Abteilung darin, sich durch Aktenberge aus dem Archiv zu graben. Diesmal jedoch ist es anders: Sie haben einen Zeugen, der im Sterben liegt und ihnen überraschende Details zu einem dreißig Jahre zurück liegenden Fall preisgeben will. Der Mord an der jungen Sanna Hansen geht Gudrun unter die Haut, denn er geschah in ihrem Heimatort und war besonders brutal. Wie stark sie wirklich involviert ist, verschweigt sie ihrer Partnerin, was beide in höchste Gefahr bringt.

Solider, gut konstruierter und spannender Krimi mit viel Lokalkolorit und einem sehr unterschiedlichen Ermittlerinnen-Duo, dass sich erst noch zusammenraufen muss. Den Hauptteil der Geschichte erzählt der Autor aus verschiedenen Perspektiven und berichtet in Rückblenden von den Ereignissen vor dreißig Jahren. In dem Maße, wie der Fall in der Gegenwart voranschreitet, erfährt der Leser mehr und mehr Details aus der Vergangenheit, so dass sich am Ende ein stimmiges Bild mit durchaus befriedigender Lösung ergibt.

Für mich lebte ein Großteil der Geschichte von der Interaktion und den unterschiedlichen Persönlichkeiten der beiden Protagonistinnen Judith und Gudrun. Beide Anfang 50, haben sie ihre Geheimnisse voneinander und arbeiten eher widerwillig zusammen. Judith ist kühl und elegant, legt Wert auf Ausdruck und Auftreten und hat ein stabiles Familienleben. Gudrun, vom Stil her mehr der Typ Hippie, durchlebt ein Wechselbad der Gefühle, sowohl durch ihre Beteiligung an den damaligen Ereignissen als auch durch eine mögliche aufkeimende Beziehung zu einer sehr viel jüngeren Frau. Beide wissen nicht, was sie voneinander halten sollen, und besonders Gudrun kocht ihr eigenes Süppchen. Ihre persönliche Betroffenheit, ihre Involviertheit in die damaligen Ereignisse und die Freundschaft mit dem einen oder anderen Verdächtigten fügt dem Ganzen viel Brisanz hinzu.

Der Fall selbst ist gut durchdacht, es gibt viele Ungereimtheiten und natürlich ahnt man, dass da noch viel mehr dahintersteckt, als es auf den ersten Blick scheint. Die beiden Ermittlerinnen befragen und recherchieren und mehr als eine Aussage von damals wird revidiert. Auch die anderen Figuren sind vielschichtig in ihrer Persönlichkeit und hüten so manches Geheimnis. Besonders Gudrun erfährt so manches, was ihr Bild von den ihr so bekannten und gemochten Menschen erschüttert. Sie muss einiges an vorgefassten Meinungen über Bord werfen und Judith vertrauen, die eine deutlich sachlichere Herangehensweise hat. Scharfsinnig sind sie beide, dennoch war mir Gudrun mitunter zu impulsiv und zu sehr an ihren Leuten hängend, um objektiv zu bleiben. Das Zusammenspiel der beiden, wie sie alle Lügen enttarnen, und das aufregende Finale, nach dessen Ausgang beide als Partnerinnen zusammengewachsen sind, haben mir aber sehr gut gefallen. Die Spannungskurve steigt im letzten Drittel des Buches noch einmal deutlich an und als Leser fiebert man herrlich mit den beiden Ermittlerinnen mit.

Fazit: Die ganz großen Überraschungen blieben für mich aus, dennoch ein spannender, sehr flüssig zu lesender Krimi mit einigen Wendungen, bei dem man sehr gut mit ermitteln konnte. Ein gelungenes Debüt, das sich neben den wohlbekannten Reihen im Genre nahtlos einreiht. Ich für meinen Teil mochte das Duo sehr gern und freue mich auf weitere Fälle.