Die Graustufen zwischen Gut und Böse

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simonef Avatar

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Die Protagonistin Eva Herbergen ist Strafverteidigerin in Berlin, Mitte 60, und kann auf einige spektakuläre Fälle zurückblicken. Eingefasst von einer kurzen Rahmenhandlung schildert das Buch in neun abgeschlossenen Kapiteln jeweils einen prägenden Fall aus ihrem Berufsleben.
Besonders neugierig war ich auf dieses Buch, da die Autorin Elisa Hoven selbst Professorin für Strafrecht und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof ist. Im Interview, das dem Roman vorangeht, erwähnt sie, dass die einzelnen Fälle fiktiv sind, häufig jedoch von realen Fällen inspiriert wurden. Beim Lesen habe ich mich dann auch an manchen Fall, der in den letzten 20 Jahren durch die Presse ging, erinnert, etwa im Kapitel „Salz“.
Bei manchen Fällen hätte ich gerne noch weitere Details erfahren, und insbesondere der zweite Fall „Leben lassen“ verlief mir etwas zu glatt. Hier kann ich mir nicht vorstellen, dass die Ermittlungen seitens der Polizei zum Verschwinden der Person keine Ungereimtheiten aufgedeckt hätten.

Ich empfand es als sehr angenehm, dass Elisa Hoven die Fälle sachlich erzählt, ohne Effekthascherei oder sensationslüsterne Details, wie es vielfach bei True Crime üblich ist. Stattdessen stehen die beteiligten Personen, Täter wie Opfer, im Vordergrund und der Strafprozess. Hier kommt die Sachkunde der Autorin zum Tragen, die falsche Vorstellungen aus amerikanischen Serien oder Krimis richtigstellt und auf anschauliche, für Laien verständliche Weise die eine oder andere Besonderheit des deutschen Rechtssystems erklärt. Sie zeigt bei vielen Fällen, dass es oft kein klares Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse, gibt, sondern viele Graustufen dazwischen. Dies macht es sehr schwierig und manchmal nahezu unmöglich, ein gerechtes Urteil zu finden. Überhaupt regt das Buch dazu an, intensiv über Recht und Gerechtigkeit nachzudenken. Sehr lesenswert!