Ist Gerechtigkeit immer gerecht?

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kascha Avatar

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Elisa Hoven, Strafrechtsprofessorin und Autorin, schenkt uns mit ihrem Roman “Dunkle Momente” eine wirklich beeindruckende und fesselnde Geschichte, die nicht nur ein Justizthriller, sondern vor allem eine tiefgehende Gesellschaftskritik ist. Sie stellt mit ihrem Buch drängende Fragen zu Moral, Gerechtigkeit und der Verantwortung jedes Einzelnen in einer komplexen und damit oft für uns alle verwirrenden Welt.

Wir dürfen Eva Herbergen, die Hauptprotagonistin, nicht nur bei ihrer Arbeit begleiten sondern auch tief in ihr Innerstes vordringen und werden somit Zeugen ihrer beruflichen Integrität und ihrer moralischen Standhaftigkeit, die arg auf die Probe gestellt wird. Die Geschichte ist von Zweifeln und ambivalenten Tatsachen geprägt, was die Lesenden zum Mitdenken zwingt: Was bedeutet es denn genau, gerecht zu sein? Wie beeinflussen subjektive Erfahrungen die Suche nach der Wahrheit und am Ende die Wahrheit selbst?

Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie die Grenzen zwischen Recht und Moral beleuchtet werden. Elisa Hoven zeigt, dass juristische Gerechtigkeit nicht immer für alle eindeutig sein kann, da sie auch immer von systemischen Schwächen und der menschlichen Natur beeinflusst wird. Insofern ist auch die Justiz ein Bereich, in dem Macht, Vorurteile und die Dynamik der öffentlichen Meinung oftmals eine große Rolle spielen und damit zeigt sich auch hier eine Diskrepanz zwischen Ideal und der alltäglichen Realität.

Herausragend ist die psychologische Tiefe und die damit einhergehende Komplexität der Figuren, die Elisa Hoven zeichnet. Allen voran wird Eva Herbergen nicht als die absolut unfehlbare Heldin der Geschichte gezeichnet, sondern als eine Frau, die immer wieder mit ihrer eigenen Vergangenheit ringt und diese auch ihre Entscheidungen immer wieder beeinflusst. Damit wird deutlich, wie sehr individuelle Schicksale und gesellschaftliche Erwartungen miteinander verwoben sind und nicht nur auf unser Handeln, sondern auch auf unsere Urteile Einfluss haben. Die Geschichte lässt Lesende Zeile für Zeile erkennen, dass die Wahrheit selten einfach, und Gerechtigkeit oft ein subjektiver Begriff ist.

Auch Machtstrukturen sind in dieser Beziehung immer wieder ein zentrales Element. Hoven zeigt auf, wie soziale und berufliche Hierarchien nicht nur das Justizsystem, sondern auch zwischenmenschliche Beziehungen beeinflussen und die damit verbundenen Abhängigkeiten von Erfolg, Status und Anerkennung werden kritisch hinterfragt und immer wieder mit den moralischen Verantwortungen der Handelnden kontrastiert.

*Dunkle Momente* ist ein Roman, der lange nachwirkt. Er ist definitiv nicht nur ein überaus spannender Thriller, sondern eine tiefgreifende Geschichte, welche die Mechanismen unserer Gesellschaft in Frage stellt und die Lesenden mit der Erkenntnis zurücklässt, dass Gerechtigkeit immer eine Frage der Perspektive ist. Elisa Hoven verbindet Unterhaltung mit Tiefgang und fordert die Lesenden heraus, sich nicht nur mit den Schattenseiten der Justiz, sondern auch mit den Grauzonen menschlicher bzw. der eigenen Entscheidungen auseinanderzusetzen. Das Besondere: Sie ist nie belehrend, sondern regt subtil zum Nachdenken an.

Wer dieses Buch gelesen hat, wird Entscheidungen und Urteile mit Sicherheit künftig mit mehr Bedacht fällen. Und das ist gut so.