Zwischen Liebe und Pragmatismus

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webervogel Avatar

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„Wenn Du geliebt wirst, denkst Du, Liebe sei leicht zu finden. Das stimmt aber nicht, Liebe ist selten.“ Das setzt der Hauptfigur Elisabeth eine Freundin auseinander. Und Elisabeth widerspricht nicht. Hat sie doch in ihrem Leben, von dem „Durch alle Zeiten“ handelt, die unterschiedlichsten Erfahrungen mit der Liebe gemacht, hat und wurde geliebt, hat und wurde betrogen. Als Tochter österreichischer Bergbauern 1940 in ärmlichste Verhältnisse hineingeboren, hat sie ihr Leben in die Hand genommen und versucht, das Beste für sich herauszuholen. Dabei ist sie mehrmals tief gefallen und wieder aufgestanden.

Das Buch beginnt mit Elisabeths gegenwärtigem Leben. Ungefähr Anfang 30, liegt sie in den Wehen und bekommt ihr drittes Kind, das erste von dem gewalttätigen Bauern Josef, den sie geheiratet hat, weil sie sich durch diese Ehe eine bessere Zukunft versprach. Jedes zweite Kapitel handelt jedoch von Elisabeths Vergangenheit, angefangen mit ihrer Kindheit. Im Verlauf des Buches wird halbwegs klar, weswegen sie sich auf die Ehe mit Josef eingelassen hat – wider besseres Wissen, denn mit der Liebe hat Elisabeth schon einige Erfahrungen gemacht, heiratet jedoch trotzdem sogar ein zweites Mal, ohne dass diese im Spiel gewesen wäre. Auch die Romangegenwart schreitet unaufhaltsam voran, so dass sich am Ende Elisabeths gesamtes Leben vor dem Leser ausbreitet.

Die Autorin Helga Hammer schildert ihre Hauptfigur durchaus anschaulich. Trotzdem ist mir Elisabeth stellenweise sehr fremd geblieben. Sie hat viel mitgemacht, ist jedoch auch öfters blind und taub gegenüber dem Leid anderer, die ihr nahestehen. Vielleicht hat sie ihr arbeitsreiches und von einigen Enttäuschungen geprägtes Leben hart gemacht, so dass sie nun keine größere Sensibilität mehr für ihre Mitmenschen aufbringen kann. Allerdings gibt es auch einige Zeitsprünge in dem Buch, wodurch dem Leser manche Informationen vorenthalten bleiben – bei der Schilderung eines kompletten Lebens ist das wohl kaum anders möglich, trägt aber dazu bei, dass mir für einige Wendungen einfach das Verständnis fehlte.

Dadurch, dass hauptsächlich die Entwicklung eines Lebens geschildert wird, ist der Einstieg in die Geschichte leicht. Man rutscht förmlich in Elisabeths Leben hinein, doch trotzdem habe ich mich durch einige Passagen eher gequält, weil ich ihr Verhalten kaum nachvollziehbar fand. Da man meist auch nur ihre Perspektive kennenlernt, bleiben andere Figuren stellenweise sehr blass und eindimensional, was mich gestört hat. Aber Helga Hammers Ziel war wohl in erster Linie, das Leben einer starken Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im ländlichen Österreich zu proträtieren. Sie präsentiert dem Leser eine Kämpferin, eine Art Mutter Courage, deren Kinder für sie an erster Stelle stehen und die mal auf ihr Herz hört, mal mit kühlem Pragmatismus kalkuliert. Die Ausgestaltung dieser Figur ist an sich gelungen, ich hatte mir jedoch von der Geschichte noch anderes versprochen. Mehr Tiefgang vielleicht und komplexere Charaktere. Trotzdem hat mich das Schicksal der Hauptfigur nicht kaltgelassen und ich halte die Schilderungen der Herausforderungen, mit denen sich Elisabeth im Laufe ihres Lebens konfrontiert sieht, für durchaus realistisch.