Das Lied in uns Unbezwingbaren

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la calavera catrina Avatar

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Ich-Erzählerin Arkadia Fink, genannt Moll, ist 1992 erst Dreizehn Jahre alt und lebt mit ihrem Vater in einem bayrischen Dorf in der Nähe von München. Ihr Alltag ist klanglos geworden, seit die Mutter weggegangen ist und ihr Vater sich zurückgezogen hat. Doch sie ist nicht allein, denn Arkadias beste Freundin ist Vierundachtzig Jahre alt und besteht auf wöchentliche Anrufe und Arkadias treuster Gefährte, ist der verstimmte Neo-Bechstein ihrer Mutter. Die Päckchen, die sie eines Tages von ihrer Mutter bekommt, geben ihr neuen Aufschwung und sie ist fest entschlossen, im Knabenchor aufgenommen zu werden, weil ihre Mutter immer daran geglaubt hat, dass ihre Tochter Außergewöhnliches schafft. „Ich wusste ja, was demnächst der ganze Chor wissen wird: niemand hält mich auf.“ Doch nicht nur der Glaube an ihr Talent, auch die Hoffnung, auf diese Weise ihre Mutter wiederzusehen, treibt sie an.

Arkadia sieht zu ihrer Mutter auf, die ihr alles über Musik beigebracht und sie stets ermutigt hat. „Meine Mutter ist ein Apfelbaum, der wenig von den Gesetzen der Jahreszeiten hält.“ Eine bemerkenswerte Frau, die ihre Tochter zu einem selbstbewussten Mädchen erzogen hat, weshalb sie entschlossen ihren Weg geht und auch den Erwachsenen widerspricht, wenn sie anderer Meinung ist. Dieses Lied der Unbezwingbaren scheint man seit Generationen von Frauen in der Familie hören zu können. Musik ist ihr beider Trost, die Sprache zwischen Mutter und Tochter: „Musik ist ein zweiter fester Raum für mich, indem ich mich geborgen fühle.“ Doch ihre Mutter hat auch mit sich zu kämpfen. Arkadia beobachtet klug und hört aufmerksam zu, ohne zu wissen, was genau in den Erwachsenen vorgeht. Die Schreibweise hatte einen melancholischen Ton, ein bisschen traurig, sehr hoffnungsvoll, mit ungezwungenem Humor. Ich habe öfter geschmunzelt, wenn Arkadia Anekdoten aus ihrem jungen Leben erzählt, wie die von Immanuel und der grandiosen Idee ihrer Mutter. Gleichzeitig gab es Momente, wo ich den Atem anhielt und von Wendungen überrascht war oder sehr mit Arkadia mitgefiebert habe. Es ist eine Mischung aus Gegenwart und Rückblicken im stetigen Wechsel. In meinem Exemplar befinden sich zahlreiche markierte Textstellen, denn manchmal reiht sich eine poetische Melodie an die andere und Arkadia fügt dem, was sie bisher gelernt hat, ihre eigenen Gedanken hinzu.

Ich habe dieses Buch so gern gelesen. Arkadia Fink ist einfach großartig und meine Heldin. Sie hat mich sehr beeindruckt, weil sie sich nicht den Regeln beugt, weil sie mutig und entschlossen ist, und weil es für sie keine falschen Töne gibt. Sie lässt keinen Zweifel daran, welche große Bedeutung ihre Mutter für sie hat und das ihr Verlust schwer wiegt, seit sie weggegangen ist.
Ein ganz wunderbarer Roman voller Liebe, Musik und Hoffnung. Es geht um vielfältige Themen, die sich wie ein Meer aus Noten zu einer stimmigen Komposition formen, die mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Christoper Kloeble schreibt melodisch und deutet einiges nur an, was ich konsequent und glaubhaft fand. Selten lese ich Textstellen mehrmals; selten fühle ich mich von einem Roman so inspiriert und sanft getragen. Noch nie habe ich Dirigenten aus diesem Blick heraus betrachtet und Charaktere so gemocht, über die ich so wenig wusste. Ein Meisterstück; ein großes Lesevergnügen und nun eins meiner Lieblingsstücke im Bücherregal.