Literatur, die sich nicht an Konventionen hält

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buecher.und.baklava Avatar

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"Man ist eigentlich ganz anders, nur darf man das hier nicht zeigen, man muss hart sein wie ein Diamant, damit man beliebt ist wie ein Diamant, man fühlt sich dann sogar hübsch und teuer wie ein Diamant, weil man mitmacht, weil man es schafft, weil man zum Chor gehört, weil man im Chor geboren ist."

Danke erst einmal an @vorablesen für dieses Rezensionsexemplar - mein allererstes 😍 Ich muss zugeben, dass ich auf anderem Wege niemals auf das Buch aufmerksam geworden wäre, was echt schade gewesen wäre, denn der Autor hat darin ein eigenes Universum geschaffen, das in sich völlig schlüssig ist und für mich zugleich sehr fremd wirkte. Wir begleiten Arkadia, die lieber Moll genannt wird und deren dringlicher Wunsch es ist, einem renommierten Knabenchor beizutreten. Im Bayern der 1990er Jahre scheint sie mit ihrer unkonventionellen Familie überall anzuecken und seitdem ihre Mutter verschwunden - oder auch kurz weggegangen, wie Moll es beschreibt - ist, ist ihre Welt aus den Fugen geraten und nur die Mitgliedschaft in besagtem Chor scheint wieder Ordnung in das Chaos bringen zu können. Also stürzt Moll sich in die Proben und beweist allen ihr Talent, doch das, was sie wirklich braucht, ist etwas ganz anderes …

Zuerst einmal handelt es sich bei dem Roman um ziemlich schwere Kost, wie ich finde. In anderen Rezensionen habe ich häufig von der humorvollen Seite der Geschichte gelesen, doch auch wenn der Autor mit viel Wortwitz und außergewöhnlichen Formulierungen vorgeht, empfand ich die Handlung selbst in erster Linie als sehr bedrückend. Zum einen ist da dieses biedere Dorf, in dem es - wer kennt es nicht? - nur darum geht, wie man nach außen hin wirkt.

Zum anderen erhält man intensive Einblicke in eine weitere verschworene Gruppe (denn "Gemeinschaft" will ich es gar nicht nennen!), den Knabenchor, in dem nur dazugehören kann, wer sich durchsetzt, die (unausgesprochenen wie offiziellen) Regeln sind hart und ein Gefühl von Glück entsteht hier höchstens durch die eigene Leistung, nicht aber durch Zusammenhalt. Moll indes wirkt in bzw. zwischen diesen Konstrukten wie ein Fremdkörper - und genauso verhält es sich auch mit den Beziehungen zu ihren Mitmenschen. Diese sind geprägt von Schweigen, Leerstellen und Zweifeln, und die einzige Person, die hier für eine andere Atmosphäre sorgen könnte, wenn man Molls Gefühlen folgt, ist ihre Mutter, für deren Wiederfinden Moll sich gegen zahlreiche Widerstände auflehnen muss.

Gerade Moll, die mitunter renitent, dabei aber auch - aus Leserperspektive - sehr nahbar ist, verleiht dem Roman zahlreiche Ebenen, die sich letztlich alle in dem vereinen, was der Geschichte zugrunde liegt: Musik. Mit einer Punktebewertung habe ich mich hier schwergetan, weshalb ich an dieser Stelle lieber eine Empfehlung für alle ausspreche, die an Musik, zwischenmenschlichen Themen und Literatur, die sich nur bedingt an Konventionen hält, interessiert sind.