Die Grenzen zwischen Gesetz und Moral

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gormflath Avatar

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Der junge Hamburger Strafverteidiger Hannes Jensen steht vor dem brisantesten Fall seiner bisherigen Karriere: Er soll einen Polizisten verteidigen, der wegen Mordes an einem Asylbewerber angeklagt ist. Ausgerechnet die Rechtsmedizinerin Sophie Tauber – die Frau, die vor Kurzem kennen und lieben gelernt hat, – hat ein neues Gutachten erstellt, in dem sie die Schuld des Polizisten beweisen kann. Jensen wird nicht nur ihr vor Gericht gegenüber stehen, auch das Notizbuch des stummen Sohnes eines Polizeikollegen, der die Tat beobachtet hat, taucht unvermittelt auf und erschwert für Anwalt Jensen den Prozess.
Jensen muss einen Menschen verteidigen, von dessen Unschuld er nicht überzeugt sein kann. Inspiriert von einem der größten Justizskandale der Bundesrepublik, steht Jensen zwischen Gesetz und Moral und muss sich zwischen seiner Liebe zu Sophie und juristischer Integrität entscheiden.

In einem anderen Handlungsstrang trauert Sophie um ihre in Zermatt gerade verstorbene Mutter. Sophie hat ihren Vater nie kennengelernt, entdeckt aber im Nachlass ihrer Mutter diverse Spuren, die sie verfolgt, denn sie kann nicht verstehen, wieso ihr Vater noch vor ihrer Geburt ihre Mutter verlassen hat, womöglich sogar mit dem Einverständnis der Mutter. Als Sophie ihren verschollen geglaubten Vater ausfindig macht, erfährt sie nach und nach von der brisanten Familiengeschichte, die bis in die Nazizeit zurückreicht und Sophies moralisches Weltbild gehörig ins Schwanken geraten lässt. Recht und Gerechtigkeit verschwimmen, als Sophie entdeckt, wozu sich ihre geliebte Mutter hat hinreißen lassen. Sophie steht vor einer schwierigen Entscheidung, kann sie ein jahrzehntelang verschwiegenes Verbrechen billigen?

Erst gegen Ende finden die scheinbar zusammenhanglos erzählten Handlungsstränge zueinander. Das spannende Lesevergnügen für Fans von Ferdinand von Schirach ist ein sprachlicher Genuss mit sehr gut beleuchteten Charakteren. Autor Markus Thiele ist selbst Rechtsanwalt und versteht es meisterhaft, Recht und Unrecht von mehreren Seiten zu beleuchten. Sehr eindringlich zeigt er, wie nahe Moral, Gerechtigkeit und Schuld beieinander liegen können. Gekonnt verwebt er in seinem tiefgründigen Roman Fiktion und Realität am Beispiel eines wahren und bis heute ungeklärten Kriminalfalls. Das Buch hebt sich angenehm wohltuend von der breiten Masse ab und war für mich ein ganz besonderes Lesehighlight!