Packender True-Crime

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
recensio Avatar

Von

Angelehnt an einen wahren Fall, der immer noch nicht abschließend geklärt ist, verspricht dieses Buch spannendes Lesevergnügen. Strafverteidiger Jansen vertritt einen Polizisten, angeklagt wegen Mordes an einem Asylbewerber. Als wäre das nicht schon brisant genug, stellt sich heraus, dass das ausschlaggebende medizinische Gutachten, welches er anzweifelt, ausgerechnet von Sophie Tauber erstellt wurde - der Frau, die er liebt.

Als ich dieses Buch gelesen habe, musste ich an das Interview denken, welches RO mit Veikko Bartel geführt hat. Auch er war Strafverteidiger und sagt: „Strafverteidiger kann nur sein, wer in sich einen abgrundtiefen Glauben an das Gute im Menschen trägt. […] Allerdings muss man sich jeden Moment den Menschen und damit einem selbst angeborenen Hang zu Vorurteilen vergegenwärtigen.“
Und das ist gar nicht so einfach. In Schubladen zu denken ist – ja, was eigentlich? Angeboren? Angenehm? Unwillkürlich? Und das Dilemma, in das Jansen hier gerät, ließ mich ebenfalls grübelnd zurück. Was genau, durch wen definiert, ist eigentlich die Moral, die wir alle so anpreisen? Ist sie mehr wert als das Gesetz? Sollte sich das Gesetz an der Moral orientieren, oder tut es das womöglich schon?

Es hat einige Zeit gedauert, bis man zwischen den verschiedenen Erzählebenen die Verbindung erkennen konnte. Es geht hier vorrangig um die Situation des Strafverteidigers, für den nicht alles schwarz oder weiß ist: Er muss einen Mandanten verteidigen, dessen Unschuld alles andere als glaubwürdig ist. Kann er die nötige Distanz wahren und das ausblenden? Ebenso ist aber der Kontext zwischen Vergangenheit und Gegenwart wichtig, der noch einmal zeigt, wie sehr die beiden Ebenen miteinander verwoben sind.

Insgesamt ist die Story authentisch und vielschichtig. Am Schreibstil und der Ausdrucksweise kann man gut erkennen, dass der Autor sehr gut weiß, wovon er spricht. Schließlich ist er Rechtsanwalt, und es gelingt ihm sehr gut, den Gerichtssaal darzustellen. Ebenso finde ich die Bredouille, in die er den Protagonisten schickt, gut und clever gewählt.

Jeder Leser wird wohl selber entscheiden müssen, ob Jansen letzten Endes „richtig“ oder „falsch“ gehandelt hat.

Persönliches Fazit: Packender True-Crime mit moralischer Zwangslage. Ich hoffe, dass es vom Autor bald noch mehr Lesestoff in dieser Richtung gibt!