Zwischen Moral, Gerechtigkeit, Recht und Wahrheit

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leserattenmama Avatar

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Vor dem Lesen dieses Buches hätte ich nicht gedacht, dass die vier genannten Begriffe manchmal so weit voneinander entfernt liegen können....

2017: die Rechtsmedizinerin Sophie Tauber untersucht die angebliche Selbsttötung des Senegalesen Abba Okeke in Polizeigewahrsam in der Nacht auf den 7. Januar 2005. Verteidigt wird der angeklagte Polizist Maik Winkler im wiederaufgenommenen Fall durch Hannes Jansen, einen ehrgeizigen Strafverteidiger, der nach diesem Prozess zum Partner aufsteigen will.
Nicht nur der Prozess ist Thema, sondern auch die privaten Hintergründe von Sophie und Hannes...
Ein zweiter Handlungsstrang spielt während des zweiten Weltkriegs: die Jüdin Lea Rosenbaum verliebt sich in Carl...
Mir gefiel diese Mischung -nachdem ich durch den Klappentext einen reinen Justizroman erwartet hatte- sehr gut und hat die Säulen unseres heutigen Rechtssystems mit dem Recht zu schweigen noch mal in ein ganz anderes Licht gestellt... gibt es nur schwarz und weiß oder ist schwarz doch weiß?! Geniales Cover zu dieser Überlegung: unter dem Schutzumschlag sind die Farben genau anders herum!
Wie weit entfernt das Recht manchmal von der Wahrheit ist, zeigt folgendes Zitat von S. 319: „Sie sind Anwalt. Die Wahrheit muss Ihnen scheißegal sein.“
Ein Buch mit einer interessanten Geschichte, die ja traurigerweise ein reales Vorbild hat (Oury Jalloh), das mich zum Nachdenken gebracht hat... geschrieben von einem Autor, der sich spürbar bestens im Metier der Rechtssprechung auskennt - aber den Leser mit der Fachkenntnis absolut nicht überfordert oder besserwisserisch belehrt; sondern Raum bietet, selbst die entscheidenden Fragen aufzuwerfen und nach eigenem Wissen und Gewissen zu werten. Einzig die Zusammenführung der beiden Geschichten fand ich persönlich nicht so gut, aber dennoch eine absolute Leseempfehlung von mir!