Neues von Frau Freitag! :)

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Mein Eindruck vor der Lektüre:

Frau Freitag berichtet abermals aus dem Schulalltag, und dies auf unterhaltsame Weise. Die Spezies Lehrer ist kein Markenopfer, denn "andere Marken" als die der Schüler werden begehrt. Hier gibt es also eine Prise Selbstreflexion. Dann geht es natürlich auch um die Schüler, und die Migrantenkinder (Anil, Hamid) sind hart im Nehmen und nicht gerade zurückhaltend. Als Frau Freitag einen Schüler massregelt, sagt dieser : "Chill mal dein Leben!" Das Leben an einer Brennpunktschule ist wohl ein hartes. Auch wundert sich die Lehrerin, als eine Schülerin sie auf die noch ausstehende Heirat anspricht. Freitag, ganz '68er, kann dies nicht verstehen, denn sie will nicht heiraten, und dass eine studierende Exschülerin danach fragt, versteht sie nicht. Mit Huntington: "The Clash of Civilizations."


Mein Eindruck nach der Lektüre:

Das Buch hat mir wirklich gut gefallen, ich musste stellenweise laut lachen (vgl . "Meine Schüler sollten ein Bewerbungsvideo drehen dürfen." ).

Frau Freitag berichtet humorvoll und sehr wirklichkeitsnah vom Alltag an einer Brennpunktschule (Gesamtschule). Die neue Klasse ist gar nicht so übel.

Um mit Ex-Schülern Kontakt halten zu können, hat sich die Lehrerin sogar einen Zweitaccount bei Facebook erstellt, und die Stilblüten sind wirklich köstlich - "Gehst Du Psychater (sic!), dann hast Du Ruhe" teilt etwa ein Schüler dem anderen zwecks ARGE mit. Oder - eine Schülerin erbittet doch tatsächlich Botengänge (Leitbogen) von der Pädagogin. Diese hat trotz allem ihren Humor nicht verloren, sagt sogar, "den schönsten Beruf der Welt" zu haben. Verzweiflung und Resignation ? Mitnichten! Frau Freitag lässt sich jedenfalls nicht die Butter vom Brot nehmen, berichtet aus dem Lehrerzimmer, von schwierigen Schülern (Anil), und von geplatzten Berufsträumen ( "Muss man als Kosmetikerin auch Pickel ausdrücken, Fr Freitag ????").

Zwar macht sie eine Bibliotheksführung mit den Schülern, weiss aber zudem, dass diese "nie ein Buch entleihen werden".

Stellenweise zeigt sie wirklich Nerven, da die Schüler auch gern mal ausfallend werden (Chill mal dein Leben, Zitat).

Und trotzdem zeigt sie auch die schönen Seiten ihres Berufes.

Dieses Buch hat mir noch besser gefallen als Frau Freitags Erstling. Es sollte eigentlich eine Pflichtlektüre für Lehramtsstudenten sein, denn die Autorin ist eine absolute Allrounderin - Sozialarbeiterin, Pädagogin, Psychologin, Mittlerin zwischen den Kulturen.
Ausserdem hat sie ein ganzes Genre von *Schulbüchern* begründet - "Lehrerkind", "Ich geh Schulhof" sind da nur Nachzügler :)

Ja, es gibt nicht nur die Tigerenten-Janosch-Bullerbü-Welt, in welcher Pädagogen gesitteten Akademikernachwuchs ausbilden, sondern auch eine knallharte andere Welt, in der Kinder oft besser Deutsch können als die Eltern und in der der soziale Aufstieg schon an kleinen Dingen hängt, etwa an einem Workbook.

Stilistisch liest sich das Ganze weit weniger 'mündlich' bzw. flapsig als noch Band 1. Die Lektüre machte mir Spass und ich fand die Darstellung insgesamt recht ausgewogen.

Kaufen - lesen - schmunzeln - nachdenken.