Schwere Kost, leicht serviert

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In "#Egoland" geht es um einen Text, der durch den Selbstmord des Verfassers Andreas Landwehr jäh abgebrochen und nun durch seinen Freund (und Konkurrenz-Autor) Michael Nast zu Ende gebracht und veröffentlicht werden soll.
Nicht nur den Leser, sondern auch Nast beschleichen zwiespältige, unbehagliche Gefühle. Denn was sich da vor ihm auftut, ist ein hinterhältiges Spiel Landwehrs, dessen Regie nacheinander mehrere Personen zum Opfer fallen. Er hat Julia, Christoph und Leonie manipuliert, ihre Schwachstellen erspürt, Intrigen gesponnen und in ihr Leben eingegriffen, um sie danach als Material für seinen Roman zu benutzen. Doch nicht einmal Landwehr selbst entkommt seinem teuflischen Schalthebel und endet tragisch durch eigene Hand. Was dann ja dazu führt, dass Michael Nast den Text zu Ende bringen muss.
Gleich vorne auf Seite 4 empfängt den Leser eine Wahrheitserklärung, frei nach einer Aussage der Coen-Brüder, als erste leise Vorahnung dieser bestimmten Art von Geschichte. Ich habe mich am Ende des Werks aber trotzdem gefragt, ob nicht doch die Fiktion überwiegt. Was kann real sein, was ist einfach übersteigert, was ist ein digitaler Eindruck? Andrerseits heisst es in der Vorbemerkung, dass Nast sich mit allen Hauptpersonen getroffen hat, um den Missverständnissen auf den Grund zu gehen. Also doch viel Realität?
Eine weitere Frage stellt sich mir: Was von all dem könnte weggelassen werden? Denn eigentlich bräuchte es für den Roman nur die einfache Story und nicht den Umweg über eine doppelte Autorenschaft. In meinen Augen ist das Werk also etwas überladen, ein schlankerer Umfang hätte ihm gutgetan. Was den Lesefluss manchmal erschwert, sind einige zähe Passagen und lange Absätze. Doch ist der Schreibstil locker, farbig, lebendig.
#Egoland lässt uns einen tiefen Blick in unsere eigenen Obsessionen werfen, unsere vielleicht noch unbewussten Sehnsüchte nach Neuem. Doch der Epilog bietet mit dem letzten Satz einen Hoffnungsschimmer aus dem tristen Berlin heraus in die nächste Zukunft: "Alles leuchtet. Wenigstens für einen kurzen, wundervollen Augenblick."