Kann man vom Leben schreiben?

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lesemanic Avatar

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Ja man kann. Das beweist Wolf Haas hier ganz eindeutig. Er schreibt auf weniger als 200 Seiten quasi als externe Festplatte der Erinnerungen seiner Mutter über deren Leben.

„Schlecht geht es uns.“ Das hat der Autor von seiner Mutter immer wieder gepredigt bekommen. Doch drei Tage vor ihrem Tod, geht es der Mutter plötzlich gut. Und das möchte sie ihrem längst verstorbenen Vater erzählen. Mit dem Nokia Handy soll der Sohn den Opa anrufen, und ihm sagen, dass es der Mutter gut geht. Das Telefon dazu findet sich passender Weise auf dem Cover.

Marianne Haas sah sich als ewiges Opfer. Ihr Lebensprojekt war es Eigentum - und zwar Wohnungseigentum - zu erwerben, was ihr jedoch aufgrund der Inflation niemals gelang. Nur am Ende kann sie die zwei Quadratmeter ihrer Ruhestätte ihr Eigen nennen.

Wolf Haas bleibt seinem gewohnten Schreibstil treu. Der Wechsel zwischen den beiden Ich-Erzählern (Sohn und Mutter) erfolgt sprunghaft, ohne jede Vorwarnung. Die kurzen Sätze vermissen oftmals das Verb, besonders wenn die Reihe des Erzählens an der Mutter ist. Gerade zum Ende hin werden Begebenheiten mehrmals erzählt, so als ob sich die betagte Mutter nicht mehr erinnern könnte, sie schon beschrieben zu haben.

Mit viel Witz werden hier die Eigenarten der alten Frau beschrieben. In den Aussagen des Autors kennen wir uns wieder und jeder aus der Generation des Autors kennt ähnliche Erzählungen der eigenen Eltern. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, auch wenn der Anlass an sich ein Trauriger ist.