Persönlich, tiefsinnig, humorvoll

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druckdeufel Avatar

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Schon das Cover deutet an, dass es sich um ein ungewöhnliches Buch handelt. Dem wird der Inhalt voll und ganz gerecht.
Das Thema des verpassten Wohneigentums zieht sich wie ein roter Faden hindurch, an dem man sich festhalten kann, will man von der Person erzählen, die dieses Ziel antrieb.
Wolf Haas schreibt über seine Mutter. In den Tagen, in welchen er sich mit ihrem Sterben und schließlich mit ihrem Tod auseinandersetzen muss, taucht er in einer sehr intensiven Weise auch in ihr vergangenes Leben ein.
Das geschieht unter Vermeidung sämtlicher Klischees, ohne Sentimentalität, aber in fast nie gelesener Tiefe.
Wenn er sich über die Mutter ärgert, wenn er sich lustig macht über sie, ihre Eigenheiten ins Licht rückt, so geschieht das mit überaus feinem, ironischem Humor. Und wenn er sie betrauert, so tut er das authentisch, verzweifelt, scheinbar ohne sich dessen bewusst zu sein. Durch das hohe Maß an Können und Sensibilität und der Gabe, genau hinzusehen, stellt sich beim Leser eine starke Betroffenheit, eine unmittelbare Teilnahme ein.
Im Roman werden neben die tagebuchähnlichen Berichte, Gedanken und abschweifenden Assoziationen des Autors die in österreichischem Dialekt gehaltenen Erinnerungen der Mutter gestellt. Dabei fließen auch ihre sprachlichen Eigenarten ein, allen voran die Wortwiederholungen. Das geht weit über biografische Schilderungen hinaus. Temperament, Charakter, Ansichten werden mit ihren Geschichten untrennbar verwoben.
Haas benutzt sich selbst als Medium, durch das ihre Essenz hindurchleuchtet, sich verdichtet. Da entsteht dann ein Mensch, der einem nach wenigen Seiten näher ist als vielleicht sogar der eigene Nachbar
Das zu lesen ist zum Weinen schön, die - nicht artikulierte - Liebe beinahe mit Händen zu greifen, die - nicht artikulierte - Trauer anrührend bis zur Erschöpfung. Hier wird das Wunder vollbracht, der Schwere einer belastenden Thematik so viel Leichtigkeit beizumischen, dass ein wunderbares Leseerlebnis herauswächst.