Über die Mutter

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Wolf Haas’ Mutter liegt im Sterben und er rekapituliert ihr Leben. Allerdings nicht in Gänze. Sein Augenmerk liegt auf ihren Erzählungen und er lässt sie selbst oft zu Wort kommen. Er denkt über sie nach, über ihre Eigenheiten und Marotten, über ihre Wünsche. Ihr größter Wunsch, den eines Eigenheims, erfüllt sich erst nach ihrem Tod mit dem eigenen Grab.
Viel zum Inhalt von „Eigentum“ von Wolf Haas kann ich nicht sagen. Es geht halt um seine Mutter. Er wiederholt, was sie ihm erzählt hat, von den Irrtümern ihres Großvaters, der immerwährenden Inflation, vom Servierkurs, von ihrer Zeit in der Schweiz und vom Krieg. Ihr gemeinsames Leben schildert Haas selbst, wobei er ihre Eigenarten hervorhebt, zum Beispiel ihre dreimaligen Wiederholungen beim Sprechen, was zu ihrem Merkmal wurde. Marianne wurde durch seine Schilderungen präsent, erwachte um ihren Tod herum für mich zum Leben.
Auch wenn der Tod eigentlich ein schwermütiges Thema ist, gehört er bei einer 94 Jährigen, die ein ereignisreiches Leben hatte, dazu. Haas erzählt mit viel Liebe und Witz von ihr, was den Roman zu einer Liebeserklärung an die Mutter macht. Sprachlich ist es natürlich gut, Wolf Haas hat unzählige Bücher geschrieben, meist Krimis, aber auch den ein oder anderen Roman, von daher weiß er, was funktioniert und was sich gut lesen lässt. Manchmal fand ich den Dialekt der Mutter, wenn er sie direkt zu Wort kommen lässt, etwas anstrengend, aber das macht es auch authentisch. Es gab einige Längen, gerade zum Schluss, obwohl es nur 157 Seiten sind.
Was ich bemerkenswert fand und was mir sehr gut gefallen hat, war des Fehlen von eher männlich konnotierten Themen (Sexismus, Männlichkeit, Machtgehabe), die auch absolut fehl am Platz gewesen wären und es ist schon traurig, dass mir sowas bei einem Autor direkt ins Auge springt und mir erwähnenswert erscheint. Aber es zeigt auch, es geht auch anders liebe Autoren.