Zwei Quadratmeter Glück

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In seinem neuen Roman "Eigentum" beschäftigt sich der österreichische Schriftsteller Wolf Haas mit den Erinnerungen seiner vierundneunzigjährigen Mutter Marianne, die nun im Sterben liegt.
Bereits das schlichte Cover mit dem prägnanten Stempel lässt schmunzeln und macht neugierig auf den Inhalt.
Es sind die Jahre rund um den 2. Weltkrieg über die wir viel aus der mütterlichen Vita erfahren. In ihren wiederkehrenden Erzählungen werden jedoch so um die 80 Prozent zensuriert sein, vermutet der Sohn. Was verbirgt Marianne?
Eines aber tritt deutlich zutage: Aus Mariannes Lebensprojekt, dem Erwerb von eigenem Grund und Boden, ist nicht viel geworden. Zwei Inflationen waren schuld daran dass sie es trotz sehr viel Arbeit und stetigem Sparen zeitlebens auf gerade einmal zwei Quadratmeter Grundbesitz bringt. Und so seufzt die Mutter unablässig über den verlorenen Traum, über die bösen Leute und eben immer wieder über die Inflation.
Es ist der ganz besondere Stil des Autors samt seiner scharfen Beobachtungsgabe, die diese 157 Seiten so lesenswert machen. Aus den Erinnerungen der Mutter, niedergeschrieben in einem milden und deshalb leicht verständlichen Dialekt, hört mancher Leser nicht nur deren Stimme heraus. Die Begebenheiten lassen an die Erzählungen im eigenen Familienkreis denken.
Diesem Vertrauten aber tritt nun der Autor entgegen mit seinen pointierten, witzig-bissigen Kommentaren, die dann und wann auch ins Satirische gehen. Ein herrliches Lesevergnügen!
Nie aber überschreitet Wolf Haas in seinen Formulierungen und Aussagen die schmale Grenze zum Despektierlichen. Und obwohl er die penetrante und nervige Art der Mutter manchmal nur schwer aushält spürt man viel Nähe und die Liebe eines Sohnes zwischen den Zeilen. Auch in dieser Gefühlslage wird sich mancher Leser (und manche Leserin) wiedererkennen.
Viereinhalb Sterne gibt es von mir und eine Leseempfehlung nicht nur für die Nachkriegskinder mit ihren alten Eltern sondern für alle die sich an literarischem Esprit erfreuen.