Die erschreckende Vielfalt von Rassismus

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miriam0000 Avatar

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Die Südstaaten in den 60er Jahren: Ausgelöst durch das Verhalten Tucker Calibans – einem schwarzen Landbesitzer – macht sich innerhalb weniger Tage die gesamte afroamerikanische Bevölkerung auf, den Bundesstaat Richtung Norden zu verlassen. Zurück bleiben die Stadtbewohner, die nicht nur verwirrt, sondern im Laufe der Ereignisse auch immer wütender werden.

Die Geschehnisse rund um Tucker werden dabei abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven – hauptsächlich der Weißen – erzählt. Es kommen sowohl seine Arbeitgeber Familie Willson, seine Frau, ein kleiner Junge aus der Nachbarschaft und viele weitere Personen zu Wort, die Tucker mehr oder weniger gut kannten. Dabei erfährt der Leser sehr viel über Tucker, ohne dass dieser selber zu Wort kommt. Dabei werden auch die – zum größten Teil sehr rassistischen – Gedanken der Bevölkerung deutlich. Lediglich junge, gebildete Personen, wie beispielsweise Dewey Willson, der Tucker bereits seit seiner Kindheit kennt, stechen heraus, obwohl auch sie nicht frei von rassistischen Denkmustern sind.

Trotz dieser Vielschichtigkeit bleibt Tucker dem Leser bis zum Schluss mysteriös und rätselhaft. Zwar nähert sich der Roman der Frage an, warum er so gehandelt hat, jedoch bleiben einige Aspekte weiterhin ungeklärt – was mich jedoch nicht weiter gestört hat. Ein richtig hartes Stück ist das Ende des Romans, das mich schockiert zurückgelassen hat.

William Melvin Kelley hat seinen Roman bereits vor über 50 Jahren veröffentlicht, dennoch denke ich, dass viele der Situationen und leider auch der Denkweisen leider noch höchstaktuell sind. Durch die unterschiedlichen Stimmen, mit denen Kelley seine Geschichte erzählt, wird deutlich, wie erschreckend vielfältig Rassismus ist – von offener und gewaltbereiter Abneigung bis hin zu leiser Akzeptanz. Ich denke, die Veröffentlichung dieses Romans ist vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Deutschland mit zunehmender Fremdenfeindlichkeit, genau richtig gewählt. Ich empfehle diesen Roman deswegen nicht nur denjenigen, die das Thema Rassismus in Amerika interessiert!

Dass „Ein anderer Takt“ bereits in den 60er Jahren veröffentlicht wurde, merkt man der Sprache nicht an, was wahrscheinlich an der Übersetzung liegt. Hier fehlt mit deswegen etwas die Authentizität. Was mich (an der Übersetzung) ebenfalls etwas gestört hat: Auch bekannte amerikanische Lieder wurden leider ins Deutsche übertragen. Einen Pluspunkt gibt es für das detaillierte Vorwort, in dem man sehr viel über (den mit völlig unbekannten) Autor erfährt.