Vom Suchen und Finden der Freiheit

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reenchenz Avatar

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Ich habe bereits viele Bücher zum Thema Rassismus gelesen. Es gibt hier, neben vielen anderen, natürlich die berühmten Klassiker von u.a. Harriet Beecher Stowe und Harper Lee, die insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika jedes Kind kennt, oder zumindest kennen sollte. Viele dieser Romane haben eines gemeinsam. Sie wurden von Weißen geschrieben.

„Ein anderer Takt“ aber ist der Debütroman eines schwarzen Autors. Zwei Dinge sind für mich dabei besonders bemerkenswert: William Melvin Kelley veröffentlichte den Roman bereits 1962. Einem Jahr in dem in den USA noch Gesetze existierten, welche es Farbigen u.a. verbot, die vorderen Sitze in Bussen oder dieselben Toiletten wie Weiße zu benutzen und in dem die Welt noch nichts von Martin Luther Kings Traum wusste. Dass die Bürgerrechtsbewegung bereits deutlich Fahrt aufgenommen hat, ist auch dem Roman anzumerken. Das zweite Bemerkenswerte ist, dass Kelley für seine Schilderung der Ereignisse in diesem Buch nicht etwa die Perspektive der unterdrückten farbigen Minderheit wählt, sondern aus Sicht der weißen Bevölkerung von Sutton erzählt, einer fiktiven Kleinstadt im Süden der USA.

Die weißen Bürger beobachten wie im Juni 1957 der schwarze Farmer Tucker Caliban Salz auf seine Felder streut, sein Pferd und sein Kuh tötet, das eigene Haus niederbrennt und mit seiner Familie Richtung Norden auswandert. Doch er bleibt kein Einzelfall. In den nächsten Tagen folgt ihm die gesamte schwarze Bevölkerung des Ortes.

Zunächst geben sich viele der weißen Bewohner wenig beunruhigt.
„Es gibt keinen Grund zur Sorge. Wir haben sie nie gewollt, wir haben sie nie gebraucht, und wir werden sehr gut ohne sie zurechtkommen; der Süden wird sehr gut ohne sie zurechtkommen.“ (William Melvin Kelley: Ein anderer Takt (Leseexemplar), S. 36.)
Doch dann kommen Fragen auf. Wer wird jetzt die Felder bestellen, die Böden kehren und alle Arbeiten verrichten, die im Ort bisher von Farbigen verrichtet wurden? Und wer trägt eigentlich die Schuld an diesem Exodus?

Der Einstieg in den Roman fiel mir ehrlich gesagt ein wenig schwer. Ich brauchte etwas Geduld, um nachzuvollziehen, aus welcher Sicht hier gerade erzählt wird und worauf die ganze Geschichte nun letztendlich hinausläuft. Zwischendurch hätte ich es fast zur Seite gelegt, weil es mich so verwirrt hat. Doch dann wurde es besser und am Ende war ich sehr froh, dass ich es beendet habe.

Mit der Figur des Reverend Bennett T. Bradshaw hat Kelley meiner Meinung nach die interessanteste und auch tragischste Figur dieses Romans geschaffen und das Ende hat mir in seiner subtilen Grausamkeit schier das Herz gebrochen. Die Aktualität des Themas steht bedauerlicherweise auch im 21. Jahrhundert immer noch außer Frage.

Ein anderer Takt ist ein bemerkenswertes Buch über den Mut zur Selbstbefreiung und die Opfer, die dafür erbracht wurden und immer noch erbracht werden, sowie über den Mut, alte, über- und verkommene Überzeugungen zu überdenken und sich neuen Wahrheiten zu öffnen, dass nämlich „alle Menschen gleich geschaffen sind.“