Wenn alle gehen, wer bleibt dann noch übrig?

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ismaela Avatar

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Ich habe sehr zwischen drei und vier Sternen geschwankt, um dieses Buch zu bewerten, bin dann aber doch bei drei Sternen hängen geblieben.

Obwohl "Ein anderer Takt" bereits vor einigen Jahren erschienen ist, sagte mir weder der Autor noch die Geschichte etwas, die relativ schnell zusammengefasst ist: eines Tages machen sich die schwarzen Bewohner einer amerikansichen Kleinstadt auf, lassen alles zurück - vor allem die rätselnde weiße Bewohnerschaft - und ziehen mit ihren Familien in Richtung anderer Städte und Landesteile. Die Geschichte wird dabei aus verschiedenen Perspektiven erzählt, von der Vergangenheit zur Gegenwart. Dabei gibt es wie so oft eine Art graue Eminenz, in diesem Fall einen alten Mann im Rollstuhl, der laut Geschichte nichts weiter zu bieten hat, als eine relativ bekannte Familienchronik, der aber trotzdem von allen behandelt wird, als wäre er das Maß aller Dinge. So treffen sich ein paar Männer regelmäßig bei ihm auf der Veranda und beobachten unter anderem den Wegzug der schwarzen Bevölkerung. Alle rätseln, alle sind verwirrt, einige wenige werden wütend - und diese Wut wird sich am Schluss der Geschichte noch sehr ungut entladen...

Der Schreibstil des Buches hat mir sehr gut gefallen. Relativ lange Sätze, die dem Ganzen etwas atemloses geben, was zur Geschichte passt. Allerdings bin ich mit der Umsetzung nicht ganz warm geworden. Zum einen kommen für meine Begriffe zu wenige Schwarze vor, deren Hinter- und Beweggründe, warum sie tun, was sie tun (alles zurücklassen und gehen). Natürlich hat man eine gewisse Ahnung, warum das alles passiert, aber warum gerade in dieser Stadt, und warum gerade zu diesem Zeitpunkt. So kommen vor allem Personen zu Wort, die eben in diesem Städtchen aufgewachsen sind und eben tun was sie tun. Und: mich hätte sehr interessiert, was nun die weißen "Besitzer" machen, die ja nun keine Arbeitskräfte mehr haben. Das war ein Punkt im Klappentext - "Wir brauchen diese Neger nicht, wir können diese Arbeiten auch selber machen." - aber ob sie es nun konnten oder nicht, wird nicht erwähnt oder beschrieben. Die Umbrüche in dieser Zeit werden immer mal wieder angedeutet (Studentenbewegung, charismatische schwarze Prediger), aber insgesamt war die ganze Geschichte für mich zwar sehr lesenswert, aber von der Thematik her ein bisschen enttäuschend im Bezug zum Klappentext. Da hätte ich mir mehr Einblick in die schwarze Bevölkerung gewünscht. (Vor allem da ja der Autor ebenfalls ein Afroamerikaner ist.) Richtig Fahrt nahm dann die Geschichte zum Schluss noch auf, als es doch noch zu Gewalttätigkeiten gegenüber einem Schwarzen kam, und sich zeigte, wie stumpfsinnig und teilweise zurückgeblieben einige Leute in abgelegenen und in sich geschlossenen Gemeinschaften werden können.

Insgesamt aber ein lesenswertes Buch, das mich gut unterhalten hat.