Phasenweise arg beklemmend

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
merkurina Avatar

Von

Das Cover, so hübsch und bunt gepinselt, wird nach der Lektüre des Buches noch klarer verstehbar. Eine Frau sitzt abseits, aber nur sie ist es, die den Blick frei ausrichten kann, die anderen drei bilden eine kleine Gruppe derer, die ihn senken und abschirmen. Sie wollen nicht sehen ... teilt uns das Buch mit.
"Ein falsches Wort" sei autofiktional erfahre ich zwischendurch im Internet, anfangs habe ich das nicht unbedingt so interpretiert. Das ist zwar auch ein weites Feld, aber es macht die Sache nicht einfacher...
Tatsächlich ist die Erzählweise so, dass sie von einer Gegenwart einer Ich-Erzählerin aus die Fäden in die Vergangenheiten und Erfahrungen spinnt. Die Gegenwart ist die einer Frau deutlich über 50, die schon einiges hinter sich hat und die sich gemeinsam mit ihren Geschwistern im letzten Abschnitt der Herkunftsfamilie befindet. Es geht ums Erben des familiären Besitzes und Retten familiärer Erinnerungen. Dieses Retten hieße für die Ich-Erzählerin, dass endlich das Verbrechen, das sie erlitten hat, zugegeben wird - für die anderen Frauen hieße es, dass genau diese Vermutung auf keinen Fall stimmen soll.
Das Buch war für mich anfangs leichter lesbar als später, eine Weile lang wird das Geheimnis, um das es geht, noch nicht gelüftet, man lernt eine Frau in ihrem Kosmos und in ihren Trennungen kennen. Wohl habe ich geahnt, welche dunkle Stelle in der Vergangenheit umkreist wird, leider ist das eben das typische Verhängnis, das in den normalsten Familien vorkommt und von diesen unbedingt geleugnet werden muss.
Ab einem bestimmten Punkt wird die Beklemmung in ewigen Schleifen umkreist, es löst sich nichts, normale Familien wollen und müssen unbedingt normal bleiben. Das wurde für mich, je länger die Handlung forschreitet ohne eine wirkliche Lösung zu zeitigen, durchaus zäh, anstrengend zu lesen, manchmal auch wirklich quälend. Das spiegelt eben, wie es für die Betroffenen sein muss, die ohne Zeug:innen und Beweise dastehen und dennoch weiterleben - fern oder näher zur Herkunftsfamilie.